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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

„Wir haben einen gemeinsamen Feind“

Antisemitismus wächst zusehends in Armenien

Screenshot aus dem Bekennervideo. Die militante Untergrundgruppe ASALA postete auf ihrem Telegram Kanal Aufnahmen von dem Angriff auf die Mordechai-Navi-Synogoge.

Auf die Mordechai-Navi-Synagoge wurde erneut ein Brandanschlag verübt. Erst Anfang Oktober hatte sich die Untergrundorganisation ASALA zu einem Anschlag mit Farbbeuteln und einem Molotowcocktail auf das einzige jüdische G'tteshaus in der armenischen Hauptstadt Jerewan bekannt und damals gedroht „die Synagoge niederzubrennen“.

 

Unmittelbar nach der zweiten Tat verbreitete sich in den sozialen Medien ein Video, das Personen zeigt, die einen Brandanschlag auf die Türen und den Innenraum der Synagoge verüben. Das Feuer konnte sehr schnell gelöscht wurden. „Ein Glück, dass die Synagoge nicht ernsthaft beschädigt wurde und zu diesem Zeitpunkt niemand im Gebäude war“, berichtet Rima Varzhapetyan, die Präsidentin der jüdischen Gemeinde sichtlich geschockt. Und Joel Lion, der außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Israels in Armenien und Moldawien, verurteilte diesen „antisemitischen Angriff“ auf das Schärfste und forderte „die armenische Regierung auf, alle Formen des Antisemitismus zu verurteilen, dieses Verbrechen umfassend zu untersuchen und die Täter vor Gericht zu stellen.“ „Es wurde ein Untersuchung eingeleitet“, erklärte die armenische Polizei.

 

Die jüdische Gemeinde in Armenien ist bereits auf ein Minimum geschrumpft. Zwischen 1992 und 1994 verließen rund 6.000 Juden und Jüdinnen aus Sorge vor Repressalien ihre Heimat. Die nach der zerstörten alten Synagoge benannte neue „Mordechai-Navi-Synagoge“, die neben einer Religionsschule und einem Gemeindezentrum mit Hilfe von Chabad in der Hauptstadt Jerewan wieder aufgebaut wurde, ist das einzige jüdische G'tteshaus in dem Land, in dem das Christentum Staatsreligion ist. Die 700 der dort lebenden Juden und Jüdinnen sind eine kleine Minderheit. Trotzdem ist der Antisemitismus auch dort gestiegen und gegenwärtig zu einer realen Bedrohung geworden. Und er wird zunehmend aggressiver.

 

Wie bereits bei dem Angriff auf das jüdische G'tteshaus Anfang Oktober erklärte sich auch diesmal die armenische Untergrundorganisation ASALA für den Brandanschlag auf die Synagoge verantwortlich und sprach neue Drohungen gegen Israel und den Präsidenten Aserbaidschans aus, dessen Land enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zum jüdischen Staat unterhält. Ihre Aktion, betont ASALA, sei aus „Solidarität mit den palästinensischen und libanesischen Widerstandsbeziehungen gegen den Zionismus durchgeführt“ worden. Israel stecke hinter der Rückeroberung Bergkarabachs durch Aserbaidschan, so ASALA. Ihre Mitglieder klebten in Jerewan und anderen Städten Armeniens Plakate, auf denen eine israelische Flagge gezeigt wird, deren Magen David von einer Waffe überdeckt wurde. Logos der Hamas und Hisbollah sind an den Rändern zu sehen und eine Zeile mit der Aufschrift: „Wir haben einen gemeinsamen Feind“. In einem Manifest, das kurz nach den bestialischen Überfällen der Hamas veröffentlicht wurde, heißt es: „Wenn die bewaffneten Angriffe des zionistischen Regimes auf das armenische Viertel Jerusalems und die Beschlagnahme des Eigentums der armenischen Kirche nicht aufhören, wird unser nächster Einsatz außerhalb Armeniens stattfinden“.

 

Die Drohung spielt auf ein Bauprojekt in Jerusalem an. Der armenische Patriarch von Jerusalem hatte das Areal eines Parkplatzs im „Kirchenland“ des armenischen Viertels von Jerusalem gegen Geldzahlung einem australisch-jüdischen Geschäftsmann für eine zeitliche Begrenzung von 99 Jahren übertragen. Auf dem Gelände soll nun ein Hotel gebaut werden. Weil der Oberhaupt der armenischen Kirche und seine engsten Mitarbeiter für diesen Deal verantwortlich seien, hat Jordanien und die Regierung der Palästinensischen Autonomiegebiete ihre offizielle Anerkennung des armenischen Patriarchen von Jerusalem eingefroren – benutzt jetzt auch die von Syrien aus operierende armenische „Märtyrer-Nubar-Ozanyan-Brigade MNOB“ als Legitimation um „das zionistische Regime zu bekämpfen“ und die „armenische Kirche in Jerusalem und die Al-Aqsa-Moschee zu schützen“.

 

Nuban Ozanyan war ein in der Türkei geborener armenischer Kommandant des militanten Flügels der kommunistischen türkisch-leninistischen Partei TIKKO der in Syrien im Kampf gegen den IS in Raqqa fiel. 1988 verband er sich mit der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ und war während der 1. Intifada gegen Israel aktiv beteiligt. Zwischen 1991-1992 kämpfte er während des Ersten Berg-Karabach-Krieges gegen Aserbaidschan. 2015 wurde Ozanyan einer der Kommandeure des neu gegründeten „Internationalen Freiheitsbataillons IFB“ in Syrien und blieb bis zu seinem Tod einer der führenden TIKKO Kommandeure.

 

Die MNOB, deren Name die Erinnerung an Nuban Ozanyan wach halten soll, ist eine durch und durch antisemitische militante armenische Organisation, die einige Stunden vor dem Massaker der Hamas an wehrlosen Israelis und der Geiselnahme erneut ihre Unterstützung für den „palästinensischen Widerstands“ gegen Israel erklärte, in einem Zeitrahmen der nachdenklich machen könnte.

 

Längst geht es nicht mehr nur um die Ereignisse in Gaza, auch wenn die ASALA-Gruppe ihren Brandanschlag zu einer Solidaritätsaktion „mit den palästinensischen und libanesischen Widerstandsbewegungen gegen den Zionismus“ erklärt, der ihrer Behauptung nach seine „Ausrottung von Tausenden von Kindern, Frauen und älteren Menschen in Karabach probt“. Erfolgreich schürt ASALA damit den Hass der armenischen Bevölkerung gegen alles Jüdische. Nach einer Untersuchung der „Anti-Defamation League ADL“ ist Armenien, in dem bisher 58 Prozent der Bevölkerung antisemitisch eingestellt sind, das Land mit einer der „höchsten Antisemitismusrate“. Der armenische Politiker Vladimir Poghosyan der in der Vergangenheit Berater des Stabschefs der armenischen Streitkräfte war und heute als Experte für die nationale Sicherheit in Armenien gilt, postete nach dem Massaker der Hamas an unschuldigen jüdischen Zivilisten in einem Videoclip, das in den sozialen Medien geteilt wurde und gegenwärtig in mehreren Telegram-Gruppen aufrufbar ist, dass die „Tötung von Juden gerechtfertigt ist“. Auch bezog er sich auf Israels Unterstützung für Aserbaidschan, „wir werden Euch niemals die Ermordung unserer Soldaten verzeihen, verdammte Schwuchteln, verdammte Ausbilder“. Er, Poghosyan, werde persönlich „der Hamas helfen, Juden zu töten“ und führte weiter aus: „Ihr Schakale müsst vollständig ausgerottet werden“.

 

Die Beziehungen zwischen Armenien und Israel sind weitgehend abgekühlt. Zwar existieren seit 1991 bilaterale Beziehungen, doch Staatsangehörige Armeniens, die nach Israel reisen wollen, müssen für ihr Visum zum Beispiel in das Nachbarland nach Georgien reisen, um dort in der israelischen Botschaft ihr Dokument zu beantragen. Trotz vieler Schwierigkeiten kondolierte das armenische Außenministerium Israel in einer Beileidsbotschaft die in dem Tweet auf X veröffentlicht wurde. „Wir sind schockiert über die Gewalt zwischen den Palästinensern und Israel und die Angriffe auf die Zivilbevölkerung“, heißt es darin, in dem sie den Verletzten eine „baldige Genesung“ wünschen und weiter betonen: „Wir schließen uns den internationalen Ausrufen an, die Gewalt zu stoppen“. Dass es die Hamas war, die mit rund 3.000 Terroristen Israel überfiel und tausende Zivilisten mit großer Brutalität ermordet hatte sowie über 240 Geiseln, darunter auch Babys, schwangere Frauen und über 80-Jährige entführten, wurde von der offiziellen Regierungserklärung mit keinem Wort erwähnt.

Boris Nemirovski

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