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„Das ist erst der Anfang“

ASALA verübt Anschlag auf Synagoge in Armenien

Einschüchterungsversuch durch die ASALA. Der Anschlag auf Mordechay Navi Synagoge in Jerewan sei eine Warnung. Die Terrororganisation droht „Synagogen niederzubrennen“. Foto: CER

Für jüdische Menschen wird die Lage im christlichen Armenien zunehmend gefährlicher. Die Untergrundorganisation ASALA (Armenian Secret Army for the Liberation of Armenia), von der man annahm, dass sie ihre Aktivitäten längst eingestellt hat, ist von Neuem erwacht. Mitte der 70er Jahre wurde die international als terroristische Vereinigung eingestufte Gruppierung in Beirut gegründet und in den dortigen Lagern der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ausgebildet. Anfangs richtete sich ihr Terror vorwiegend gegen türkische Politiker, Journalisten und Armenier, die mit der Türkei in das Gespräch kommen wollten. Die Blutspur der ASALA ist lang, 84 dokumentierte Anschläge, Ermordung von 46 Personen, darunter 36 Hinrichtungen türkischer Diplomaten sowie 299 verwundete weitere Personen. Ziel der ASALA war damals „die türkische Regierung zum Eingeständnis ihrer Verantwortung für den Völkermord an den Armenien ab 1915“ und zur „Zahlung von Reparationen und Gebietsabtretungen an das armenische Heimatland zu zwingen“.

 

Seit den 1980er-Jahren war die Terrororganisation neben der PLO auch mit der kurdischen PKK verbunden. Sie erhielt Unterstützung aus der armenischen Diaspora in Europa und den USA. Ein weiteres Ziel der ASALA ist die Wiedererrichtung des historischen Armeniens, das auch Gebiete außerhalb der heutigen Staatsgrenze einbezieht.

 

Nachdem der Gründer der ASALA, Hagop Agopjan, in Athen durch ein Attentat starb und mehrere Führungskräfte im Krieg um Bergkarabach 1993 im Kampf gefallen waren, kam es zu inneren Streitigkeiten. Ein verübtes Attentat auf dem Pariser Flughafen Orly führte zur Einstellung der finanziellen Unterstützung durch in Frankreich und anderen Staaten lebende Armenier. Die zersplitterte Terrorgruppe engagierte sich kaum noch, geriet ab 1999 in die Bedeutungslosigkeit und schien sich fortan aufzulösen.

 

In Armenien jedoch wurden die Terroristen weiterhin als Helden verehrt. „In Gedenken an die getöteten ASALA-Kommandos“ erinnert ein Denkmal auf dem Militärfriedhof Jerablur in der Hauptstadt Jerewan an die Bluttaten der Terrororganisation. An der Einweihung der Statue im April 2000 nahmen viele hochrangige armenische Politiker und auch ausländische Ehrengäste teil. Die Terroristen wurden von offizieller armenischer Seite zu Nationalhelden erklärt und ehemalige ASALA-Kämpfer gelangten in hochrangige Militär- oder Regierungspositionen Armeniens.

 

Jetzt trat ASALA wieder in Erscheinung. Diesmal werden auch Israel und alle Juden weltweit als zu bekämpfende Gegner eingestuft. Vor Kurzem hatten bekannte Rabbiner vieler europäischer Staaten sowie aus Lateinamerika, den USA und Südafrika gegen die Verharmlosung, Nivellierung und Vereinnahmung der Schoah seitens armenischer Politiker für eigene Zwecke in einem offenen Brief an den armenischen Premierminister Nikol Pashinyan protestiert und auf die Einmaligkeit des Holocaust hingewiesen. Daraufhin erhielten fast alle Unterzeichner des Schreibens eine Drohung. „Jeder Rabbiner wird eine Zielscheibe für uns sein. Kein israelischer Jude wird sich in diesen Ländern (gemeint sind Armenien und Aserbaidschan) sicher fühlen“, heißt es in dem Pamphlet, dessen Urheber angeblich ASALA-Mitglieder sind. Da Israel Wirtschaftsbeziehungen mit Aserbaidschan unterhält, auch einen Großteil seines Erdöls aus dieser Region bezieht und im Gegenzug Waffen und andere Militärausrüstungen liefert, seien „Juden die eingeschworenen Feinde Armeniens“, erklären die armenischen Nationalisten. In ihrem veröffentlichten antisemitischen Text heißt es weiter: „Wenn Rabbiner in den Vereinigten Staaten und Europa Alijews (Präsident von Aserbaidschan) Regime weiterhin unterstützen, werden wir ihre Synagogen niederbrennen.“

 

Den Worten folgten bereits erste Taten. In Armeinen existiert nur ein einziges jüdisches G'tteshaus, die 1995 erbaute und 2011 erneuerte „Mordechai-Navi-Synagoge“ in der Hauptstadt Jerewan. Auf diese verübte der Jugendflügel der Terrororganisation „Armenische Geheimarmee zur Befreiung Armeniens (ASALA)“ jetzt (Oktober 2023) einen Anschlag. Die Fenster wurden eingeschlagen und die Außenfassade mit einer ätzenden roten Flüssigkeit übergossen. „Das ist eine Warnung!“, veröffentlichten mehrere armenische Medien die Einschüchterungskation der wiedererwachten ASALA. „Unser erfolgreicher Einsatz“, heißt es in der Erklärung weiter, „ist erst der Anfang.“ Wenn die israelische Regierung Aserbaidschan weiterhin unterstützt, droht ASALA mit „Krieg gegen israelische Juden in Europa, Amerika, Kanada und Georgien“. Juden, betont die Terrorgruppe, „sind die geschworenen Feinde des armenischen Staates und des armenischen Volkes.“

 

Daraufhin wandte sich der Präsident der Europäischen Rabbinerorganisation Rabbiner Pinchas Goldschmidt an den armenischen Präsidenten Vahagn Garniki Chatschaturjan und bat ihn diesen abscheulichen Akt zu verurteilen. „Die armenische Regierung muss die Sicherheit rund um die jüdische Gemeinde erhöhen und die Verantwortlichen für diesen antisemitischen Akt strafrechtlich verfolgen“, schrieb Goldschmidt und fügte hinzu: „Ich stehe in Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Armenien und bete, dass sie weiterhin ihre umfangreichen Aktivitäten fortsetzen kann.“ Eine Antwort blieb aus, der armenische Präsident und andere hochrangige Politiker hüllen sich bislang in Schweigen. In Armenien leben gegenwärtig nur noch wenige hundert jüdische Männer, Frauen und Kinder. Einmal mehr zeigt sich gegenwärtig der breite Nährboden des Antisemitismus in der armenischen Gesellschaft und zugleich wird ein Mangel an Toleranz gegenüber Menschen unterschiedlicher ethnischer Identitäten und religiöser Überzeugungen sichtbar.

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