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Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11, Wien, www.jmw.at, Judentum, Wien

Vor zehn Jahren gegründet

Kaukasische Juden feierten Jubiläumsfest

v.l.n.r.: Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, S.E. Nasimi Aghayev, Botschafter der Republik Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland und Avi Shefatja, Vorsitzender der „Gemeinde der kaukasischen Juden in Deutschland e.V.“

„Vor genau zehn Jahren kam eine kleine Initiativgruppe kaukasischer Juden in Frankfurt am Main zusammen. Sie hatten die Idee, sich als Bundesvereinigung der kaukasischen Juden zu organisieren, um ihre „Identität innerhalb der jüdischen Einheitsgemeinde zu stärken“ erzählt Avi Shefatja, der Vorsitzende der „Gemeinde der kaukasischen Juden in Deutschland e.V.“ Ihr Ziel war keine Parallelgemeinde zu schaffen, „sondern unsere Geschichte und Kultur am Leben zu erhalten und unsere Traditionen in Deutschland weiterhin zu pflegen“. Inzwischen hat die Gemeinde rund 4.000 Mitglieder. Die meisten von ihnen leben in Berlin, aber auch in Frankfurt, München und Nürnberg fanden die Migranten, die einst aus dem Nordkaukasus nach Deutschland kamen und ihre Nachkommen eine neue Heimat. Kaukasische Juden leben gegenwärtig in Dagestan, vereinzelt teilweise auch in der autonomen Republik der russischen Föderation Tschetschenien und Georgien, vor allem jedoch in Aserbaidschan. Dort sind sie als „Bergjuden“ bekannt. Nach dem Zerfall des Sowjetimperiums zogen viele kaukasische Juden nach Israel, in die USA oder nach Deutschland. „Sie alle stehen für ein junges, selbstbewusstes und engagiertes Judentum“ hob Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, in seinem Grußwort hervor und lobte die „kreativen Visionäre“ als „Gründungsgeneration eines neuen Kapitels in der Geschichte der kaukasischen Juden in Deutschland. Und eines neuen Selbstverständnisses! Das verdient Respekt“. Selber konnte Dr. Schuster nicht am Festakt teilnehmen, was er bedauere, schrieb er in seinem Brief, den German Djanatliev vorlas, der ein Bergjude und zugleich Mitglied des Direktoriums des Zentralrates ist.

 

Aserbaidschan einer der sichersten Orte für Juden

Im vergangenen Jahr besuchte eine hochrangige Delegation von jüdischen Repräsentanten aus Aserbaidschan zahlreiche jüdische Einrichtungen und gewährte Einblicke in das jüdische Leben Aserbaidschans. „Die geführten Gespräche wirken sich auf die Arbeit des Zentralrates aus und die geknüpften Beziehungen werden auch in Zukunft Bestand haben“, schrieb Schuster, „dieser ermutigende Wandel ist vor allem Ihrer engagierten Gemeinschaft zu verdanken.“ Unter den Ehrengästen befand sich auch Nasimi Aghayev, der Botschafter der Republik Aserbaidschan. „Heute ist Aserbaidschan einer der sichersten Orte für Juden und Jüdinnen“, betonte er. Während nach dem 7. Oktober in den anderen nordkaukasischen Republiken antisemitische Demonstrationen ihre Sympathie für die Hamas kundgaben und es zu mehreren Ausschreitungen kam, gab es solche Vorfälle weder in Baku, noch in Gandscha oder anderen Städten. „In Naltschik wurde ein jüdisches Kulturzentrum in Brand gesetzt, in Tscherkessk forderten die Demonstranten öffentlich die Vertreibung aller Juden“ erinnerte Avi Shefatja, der Vorsitzende des Bundesverbandes der kaukasischen Juden.

 

Die Liste lässt sich fortsetzten, in Dagestan stürmten mehrere hundert junge Männer den Flughafen von Machatschkala um zu verhindern, dass jüdische Menschen den aus Tel Aviv ankommenden Flieger verlassen. Mit Rufen wie „Wir sind gegen jüdische Flüchtlinge“ in der Annahme, die in Israel lebenden Bergjuden würden nach dem 7. Oktober ihre Frauen, Kinder und alte Menschen im Nordkaukasus in Sicherheit bringen wollen, war es der Mehrheit wichtig, dass Gegner der Hamas und deren Angehörige ihr muslimisches Land nicht betreten. Und in Jerewan, der Hauptstadt von Armenien wurde die einzige Synagoge des Landes gleich zweimal in Brand gesetzt. Auf den strukturellen Antisemitismus in Armenien wies auch der jüngste Antisemitismusbericht des israelischen Ministeriums für Diasporaangelegenheiten mit Sorge hin. „Die armenischen sozialen Medien reagierten auf den Hamas-Anschlag mit Freude und verbreiteten massenhaft von der Hamas produzierte Propaganda. Begleitet wurde diese Aktivität von scharfer Kritik an Israel und ausdrücklichen Aufforderungen, die Hamas zu unterstützen, sowie von Vergleichen zwischen Israel, Aserbaidschan und Nazi-Deutschland“.

 

In Aserbaidschan, einem Land mit einer vorwiegend schiitischen Bevölkerung, gab es das nicht. Seltsamerweise ist es in der Weltöffentlichkeit wenig bekannt – vielleicht will diese in ihrer verlogenen Verbohrtheit das auch gar nicht wissen – wie tief und fest die Freundschaft und der Zusammenhalt der aserbaidschanischen Muslime zur jüdischen Bevölkerung und Israel ist. In Aserbaidschan, einem Land mit einer vorwiegend schiitischen Bevölkerung gab es keine antisemitischen Vorfälle oder gegen den jüdischen Staat gerichtete pro-palästinensische Demonstrationen. Wie in den vergangenen Jahrhunderten, leben nach wie vor dort Juden und Muslime friedlich zusammen. In den bergjüdischen Orten wie zum Beispiel in der „Roten Stadt“ Krasnaja Sloboda mit gegenwärtig etwa 3.500 jüdischen Einwohnern, wurde ein neues jüdisches Leben aufgebaut. Heute gibt es dort zwei Synagogen in denen ein aktiver G'ttesdienst stattfindet, eine Jeschiwa, ein restaurierter und gepflegter jüdischer Friedhof sowie eine intakte Infrastruktur. Dort befindet sich auch das 2020 eröffnete weltweit einzige Museum der Bergjuden. „Das Judentum ist ein untrennbarer Teil der aserbaidschanischen Kultur“, sagte Botschafter Aghayev. Die 2003 eingeweihte neue Synagoge in Baku, zu der auch Vertreter des Eurasisch-Jüdischen Kongresses anreisten, war der erste Neubau eines jüdischen G'tteshauses in einem muslimischen Land. 2010 folgte die Eröffnung eines jüdischen Kindergartens und eines jüdisches Gymnasiums. Gegenwärtig entsteht in Baku ein jüdisches Kultur- und Religionszentrum, dessen Bau der Präsidenten der Republik Aserbaidschan persönlich unterstützt, verkündete Botschafter Nasimi Aghayev an diesem Abend. 

 

Dass trotzdem ein Sonderbericht des amerikanischen Außenministeriums von „Mängeln“ in der Religionsfreiheit in Aserbaidschan hinwies, habe ihn sehr bestürzt, erklärte Rabbiner Avichai Apel von der „ORD“, der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland. „In Aserbaidschan ist das jüdische Leben sehr lebendig, dank einer entgegenkommenden und großzügigen Regierung, die sich für die Religionsfreiheit einsetzt und sie nach Kräften unterstützt und fördert.“

 

Eine Erfolgsgeschichte

Von der Geschichte der Bergjuden weiß man im Allgemeinen noch recht wenig, auch innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft. Es fehlt „die Sichtbarkeit und Repräsentation“ bemängelt Zentralratschef Dr. Schuster. „Eines sollte klar sein: Jüdisches Leben in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte.“ Bergjuden gehören neben den bucharischen Juden zu den eigenständigen jüdischen Völkern Zentralasiens und haben ihre besondere Literatur, Poesie, Tradition und Küche. Angeblich sind sie Nachfahren der unter Nebukadnezar ins Babylonische Reich verschleppten Juden, die lange Zeit in Persien lebten, von dort vertrieben und im Kaukasus seßhaft wurden. Viele Traditionen und Riten ihrer Gastvölker nahmen sie in ihr kulturelles Erbe auf, ohne jedoch ihre Jüdischkeit aufzugeben. „Rund um den Globus wächst der Hass der Welt und die Juden werden gezwungen, ihr Judentum zu verharmlosen“, erinnerte Rabbiner Avichai Apel in seiner Grußbotschaft. Doch „im Gegensatz zur deutsch-jüdischen Gemeinschaft, die sich mit der aufkommenden Assimilation auseinandersetzt, haben die Bergjuden tiefe Wurzeln und sich an einem soliden Stamm festgehalten.“ Durch ihre tiefe Verbundenheit mit der Tradition und Religion leisten die kaukasischen Juden einen enormen Beitrag.

 

Die Mitglieder der „Gemeinde der kaukasischen Juden in Deutschland“ mit ihren vielen jungen Menschen sind in fast allen Bereichen aktiv, bei Makkabi, wie in der WIZO, im Zentralrat der Juden aber auch in unterschiedlichen politischen und kulturellen Vereinen und Bereichen der Mehrheitsgesellschaft, so dass sie, wie Avi Shefatja erklärt, inzwischen „ein kreativer und wichtiger Bestandteil der jüdischen Diaspora in Deutschland“ wurde. Auch bringen sie eine wichtige Erfahrung mit. Seit Jahrhunderten zeigen sie in Aserbaidschan, wie Muslime und Juden friedlich miteinander leben können. „Dies ist möglich“ betont Botschafter Nasimi Aghayev, und verweist auf sein Land Aserbaidschan.

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