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Ein gutes und glückliches neues Jahr – das wünschen wir uns zu Rosh Hashana von ganzem Herzen. Dabei kommt man aber nicht umher, das vergangene Jahr gedanklich zu resümieren. Und im Jahr 5774 gab es so einiges, was uns, die jüdische Gemeinschaft in Deutschland beschäftigt hat. So standen sich Positives und Negatives ganz besonders drastisch gegenüber. Einige von uns mögen daher mit Verunsicherung und Ungewissheit in das neue Jahr blicken. Umso wichtiger ist es aber, das Geschehene einzuordnen und uns dennoch nicht entmutigen zu lassen.
Wir sollten die erfreulichen Ereignisse nicht vergessen. Etwa zwei Monate nach jüdischem Jahresbeginn erlebten wir, - um nur eines der vielen Beispiele zu nennen - den fulminanten Gemeindetag in Berlin, vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisiert. Wir erfuhren eine Infusion von Kraft und Zuversicht und setzten darüber hinaus ein selbstbewusstes Zeichen jüdischen Lebens in der Öffentlichkeit. Dieses jüdische Selbstbewusstsein war im Frühjahr bei der Jewrovision mit mehr als 900 teilnehmenden Jugendlichen aus unseren Gemeinden geradezu mit Händen zu greifen.
Wie groß sich dennoch Herausforderungen entwickeln können, zeigte sich während der jüngsten israelischen Verteidigungsoperation in Gaza. Unverhüllter Antisemitismus, Überfälle auf Juden, geplante und zum Teil tatsächlich durchgeführte Anschläge auf Synagogen – blanker Judenhass, der wir uns wohl alle in dieser Intensität und in dieser Offenheit niemals mehr in Deutschland hätten vorstellen können. Dass ähnliche Hassorgien auch in anderen europäischen Ländern stattfanden, verdüstert die Atmosphäre noch weiter. Umso erfreulicher war es, dass viele Menschen dem Aufruf des Zentralrats gefolgt sind, um gemeinsam zu zeigen, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hat. Unter dem Motto „Steh auf! Nie wieder Judenhass“ versammelte sich vor dem Brandenburger Tor neben den jüdischen Gemeinden, Politprominenz und Vertreter von religiösen und zivilgesellschaftlichen Verbänden, sowie tausende von Bürgerinnen und Bürger. Dass der Bundespräsident gemeinsam mit der Bundeskanzlerin und zahlreichen weiteren Bundesministern uns bei dieser Botschaft vor Ort unterstützen, zeigt, wie stark das jüdische Leben in Deutschland verankert ist.
Daher dürfen wir uns in unserem Vorhaben, eine sichere jüdische Zukunft in Deutschland weiterhin zu gestalten, nicht beirren lassen. Die Selbstverständlichkeit jüdischen Daseins hierzulande lassen wir uns nicht zerstören. Ich bin fest von der Stärke und vom Potential und unserer jüdischen Gemeinschaft überzeugt und glaube daran, dass wir auch noch so schmerzvolle Herausforderungen meistern werden. Und dass wir unser Judentum weiterhin mit Stolz und Selbstbewusstsein nach außen tragen werden. Weiterhin werden wir auch unsere unverbrüchliche Solidarität mit Israel bekunden und stets fest mit unseren Herzen an der Seite der Menschen dort stehen. Für mehr Verständnis für das legitime Recht auf Verteidigung, ja für die Unterstützung dieser Notwendigkeit, setzen wir uns auch im neuen, hoffentlich friedlicheren Jahr ein.
Und auch wir hier sollten trotz der Verunsicherung mit unverzagter Zuversicht das neue Jahr beginnen. In diesem Sinne wünsche ich allen jüdischen Menschen und allen Freunden: Ein glückliches, friedvolles und süßes neues Jahr 5775! Schana towa u-metuka! Ihr Dr. Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
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