Im Jüdischen Museum Hohenems geht ab dem 23. März bis zum 5.Okober 2014 eine Ausstellung den jüdischen Spuren im Kaiserreich der Habsburger nach. Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Untergang der östereich-ungarischen Monarchie gab es über 400 jüdische Gemeinden im habsburgischen Reich. Vertreten war die gesamte jüdische Vielfalt, Chassidim und weltliche Juden, ländliche und urbane, Feministen und Utopisten, Arme und Reiche, Orthodoxe und Liberale.
Trotz ihrer Unterschiede hatten alle einen europäischen Hintergrund, waren zur Mobilität gezwungen, wie der Hoffaktor und Oberrabbiner West-ungarns Samson Wertheimer und der bibliophile Oberrabbiner von Prag, David Oppenheimer. Durch die Realität und Lebenswelt der Juden in Europa war so bereits die Idee von Europa vorweggenommen. Die Ausstellung (und das damit verbundene umfangreiche Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm) nimmt Mitteleuropa als Ausgangspunkt für die Beleuchtung dieses Ansatzes einer europäischen Gemeinschaft, berichten die Kuratorinnen Felicitas Heimann-Jelinek und Michaela Feuerstein-Prasser. Sie „erzählt von jüdischen Hausierern, Erdölarbeitern und Opfern von Mädchenhandel. Menschen wie Simon Edler von Lämel feierten sowohl ihre Zugehörigkeit zum Wiener Judentum als auch zum österreichischen Adel, während andere ungewöhnliche Wege gehen mussten, wie der Isaac Bernard aus Prag, der sich 1706 den Engländern als Spion gegen Frankreich anbot, denn er verfügte über internationale europäische Sprachen: Jiddisch und Hebräisch. Und schließlich verfolgt die Ausstellung die unterschiedlichsten Migrationswege, wie die des katalanischen Gelehrten Levi Ben Gershon, dessen Suche nach G'tt zur Erfindung der Camera Obscura und eines der lange Zeit wichtigsten Navigationsgeräte, des Jakobsstabes in Nürnberg führte. Oder Josel von Rosheims, der als „jüdischer Regierer“ auf den Augsburger Reichstag eingeladen wurde.
Narrationsträger für die Ausstellung sind herausragende Objekte aus öffentlichen und privaten Sammlungen, von denen viele bislang nicht unter dem Aspekt ihrer spezifisch europäisch-jüdischen Dimension gesehen wurden. Aus der Grundidee ergeben sich die zu bearbeitenden Spannungsfelder: Universalismus und Partikularismus; West und Ost; Migration und Kulturtransfer (spezifisch jüdisch − spezifisch mitteleuropäisch); Ausschluss und Integration; Juden, Christen und Muslime; Mystik und Aufklärung; Land und Stadt; Kunst und Kommerz; arm und reich; Aschkenasim und Sephardim; Europa und die Neuen Welten; Glaube und Wissen; Kaisertreue und Revolution; Vielvölkerstaat und Nationalstaat. Aus all diesen Spannungen ergibt sich das facettenreiche Bild einer transnationalen Gesellschaft am Vorabend des 1. Weltkriegs, die als Realität an ihren Widersprüchen gescheitert ist und zugleich ein utopisches Potential in gegenwärtigen Debatten um die Zukunft Europas verkörpert. Der kritische Blick darauf soll keine falsche Nostalgie wecken sondern den „Möglichkeitssinn“ (Robert Musil) schärfen. Solche Dimensionen lassen sich insbesondere in der Betrachtung von Objekten aus der Geschichte der österreichischen Juden zwischen Bodensee und Bukowina, Süddeutschland und Südtirol entfalten. In der Geschichte ihrer Entstehung, ihres Gebrauchs und ihrer Deutung haben sich, hundert Jahre nach dem Beginn des „europäischen Bürgerkriegs“, alle Aspekte einer vergangenen, enttäuschten, missbrauchten und immer noch lebendigen europäischen Hoffnung verdichtet.“
Lange Zeit war Hohenems die einzige öffentlich anerkannte jüdische Gemeinde auf dem Gebiet des heutigen Österreichs westlich des Burgenlandes. Deshalb wurde auch dort die Ausstellung erarbeitet und wird als erstes gezeigt. Wertvolle Leihgaben aus Wien, New York, Bratislava, Washington, Zürich, Prag, Budapest, London, Nürnberg, Fürth, Dresden, u.a bereichern sie zusätzlich.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Mandelbaum-Verlag, Wien mit Beiträgen von Fritz Backhaus, Friedrich Battenberg, Michaela Feurstein-Prasser, Mark Gelber, Felicitas Heimann-Jelinek, Erik Petry, Diana Pinto, Joshua Teplitsky u.a. Preis: 34,90 € , 200 Seiten umfangreich.