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Es gibt auch positive Beispiele für ein blühendes Judentum. In Frankfurt spendeten kurz vor Rosch Haschana zwei Brüder, beide Gemeindemitglieder, mit ihren Familien eine neue Torarolle für die dortige Synagoge.
Erhält eine Gemeinde eine neue Torarolle, ist das immer ein Grund zur Freude. Wo sind sie, die alten Völker, die Babylonier, Assyrer, Sumerer, die Alten Ägypter mit ihrem Pharao? Sie sind untergegangen, ins Reich der Geschichte. Doch die Hebräer gibt es immer noch. Und das, obwohl sie jahrtausendelang kein eigenes Land besaßen und in der Welt verstreut lebten. Die Heimat aller Juden und Jüdinnen war und ist die Tora, das Wort G‘ttes. Wenn in der Synagoge die heilige Rolle hervorgeholt wird, rückt das jüdischen Volk wieder näher zusammen, hört die Gesetze und den Willen G‘ttes immer wieder von Neuem und spürt seine mystische verborgene Dimension. Wird eine neue Rolle zum ersten Mal in die Synagoge gebracht, ist das ein ernster, erhabener und zugleich ausgelassener und glücklicher Moment. Denn jede neue Torarolle bedeutet zugleich auch eine weitere Zukunft des Judentums.
„Die Tora“, betonte der 1888 in Frankfurt am Main verstorbene große jüdische Gelehrte und Rabbiner Samson Raphael Hirsch, ist das „Lebenszentrum des Judentums“. Der Text ist von G‘tt gegeben und wird von den Menschen immer wieder neu kopiert. Da es ein g‘ttliches Wort ist, darf es keinen einzigen Fehler enthalten. Torarollen sind kostbar, im religiösen, wie aber auch im materiellen Sinn. Viele Monate sitzt ein ausgebildeter Sofer an der Anfertigung einer solchen Rolle, die auf Pergamentseiten aus der Haut koscherer Tiere mit einem Gänsekiel und koscherer Tinte geschrieben wird.
Zu jedem G‘ttesdienst wird die Torarolle aus dem Toraschrank hervorgeholt, um daraus laut vorzulesen. Doch trotz aller Sorgfalt nutzen sich die Rollen im Laufe der Jahre durch Materialermüdung oder Beschädigung ab. Wenn auch nur ein einzelner Buchstabe lädiert wurde, ist die Rolle nicht mehr koscher und wird in einem extra Raum innerhalb der Synagoge, der „Geniza“ bis zu ihrer Restaurierung aufbewahrt, oder, wenn das nicht mehr möglich ist, auf dem jüdischen Friedhof beerdigt.
Nach einer gründlichen Untersuchung stellte das Frankfurter Rabbinat fest, dass von den zehn Torarollen, die sich im Besitz der großen Westendsynagoge befinden, lediglich drei noch koscher sind und für den G‘ttesdienst benutzt werden dürfen. Als Rabbiner Avichai Apel dies bekannt gab, entschlossen sich Harry Schnabel, der Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sowie des Präsidiums des Zentralrates der Juden in Deutschland ist und sein Bruder Jakob Schnabel mit ihren Familien der Frankfurter Jüdischen Gemeinde eine neue Torarolle zu spenden.
Es ist die Erfüllung einer Pflicht und eine große Mizwa mit der die Familie zugleich auch ihre Verbundenheit zur Frankfurter Jüdischen Gemeinde zeigt. „Unsere Eltern sind als Holocaustüberlebende nach Frankfurt gekommen und hiergeblieben. Harry und ich wurden in Frankfurt geboren und haben somit unser ganzes Leben in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt verbracht. Wir haben die Entwicklung der Gemeinde somit von frühester Jugend mitbekommen. Den Religionsunterricht und das Jugendzentrum damals im Baumweg, wo auch meine Bar Mitzvah stattfand, später Makkabi, jüdischer Studentenverein, wir standen in Frankfurt unter der Chuppa, unsere Frauen waren aktiv in der WIZO“, erklärte Jakob Schnabel den Grund für die Spende, „wir haben der Jüdischen Gemeinde Frankfurt viel zu verdanken – und das Zentrum einer jüdischen Gemeinde ist die Synagoge.“ Mit dem Geschenk soll auch an die verstorbenen Familienmitglieder erinnert werden die damit posthum eine ganz besondere Ehrung erhalten.
Die 613. Mizwa fordert jeden Juden auf, eine Tora-Rolle zu schreiben. Nur können nicht alle, meist aus finanziellen Gründen, diese Pflicht erfüllen. Deshalb ist es eine ganz besondere Mizwa wenn einzelne Personen oder eine Familie dies stellvertretend für weniger begüterte Gemeindemitglieder übernehmen. Wenn dann zukünftig jeder, der zur Alija aufgerufen, aus der neuen Torarolle liest, für diesen kurzen Moment zum Eigentümer der Rolle wird, stärkt die Spende damit gleichzeitig den Gemeinsinn und wirkt positiv und nachhaltig auch auf den Zusammenhalt und das Gemeindeleben.
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