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„RASSISMUS UND ANTISEMITISMUS SIND FÜR DIE GESELLSCHAFT GEFÄHRLICH“

DER WJC ZU GESPRÄCHEN IN GRIECHENLAND

  • Die griechische Stadt Kavala.

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    Delegierte des WJC zu Gast bei Erzbischof Ieronymos II. (Mitte).           Foto WJC

In Griechenland ist der Antisemitismus bis in die oberen Gesellschaftsschichten hinein stark verbreitet. Vor einem Jahr hatte der damalige und auch heutige Verteidigungsminister Panos Kammenos im Wahlkampf öffentlich erklärt, Juden würden keine Steuern zahlen. Eine Äußerung, die er allerdings nach heftigen Protesten der jüdischen Gemeinde später wieder zurücknahm. Yanis Varoufakis, der bis zu seinem Rücktritt Finanzminister im Kabinett Alexis Tsipras war und bis heute den Staatschef in Wirtschaftsangelegenheit berät, sogar bei internationalen Konferenzen begleitet, erklärte vor einigen Jahren im australischen Radio seine Sympathie für palästinensische Selbstmordattentäter. Fünfzehn Jahre hatte Yanis Varoufakis, der die griechische wie australische Staatsbürgerschaft besitzt, als Radiomoderator im australischen Nachrichtenwesen gearbeitet. 2005 jedoch wurde er von dem Sender SBS wegen seiner Ausfälle gegen den jüdischen Staat gefeuert. Auch habe er, wie „WeltN24“ berichtete, das „Existenzrecht Israels infrage“gestellt. Heute jedoch zeigt er sich verwundert, wenn man ihn einen Antisemiten nennt und in seinen Aussagen negative Stereotypen über Juden sieht. Auch andere SYRIZA-Mitglieder im Kabinett des Ministerpräsidenten Alexis Tsipras fielen mit antizionistischen Sprüchen auf. Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass in Kavala ein Mahnmal zur Erinnerung an jene 1.484 jüdischen Bürger errichtet werden sollte, die während der deutschen Besatzung in Vernichtungslager deportiert wurden. Nur wenige hatten überlebt. Bürgermeisterin Dimitra Tsanaka von der konservativen „Nea Dimokratia“ nahm Anstoß an dem Magen David, der auf der Erinnerungsplatte eingraviert war und genehmigte deshalb nicht die Enthüllung. Erst internationale Proteste erreichten dann doch die Einweihung der Gedenkstätte. „Vergesst nie“ steht auf der Marmortafel, „erinnert Euch“. Nicht nur die Anti-Defamation League, auch die Mehrheit der griechischen Juden hatte den Versuch der Bürgermeisterin und des hinter ihr stehenden Stadtrates, jüdische Symbole zu tilgen, scharf verurteilt. „Die Juden aus Kavala und ganz Griechenland“, protestierte der Zentralrat der Griechischen Juden, „mussten einen Davidstern an ihrer Kleidung tragen. Nun zeigt sich ein weiteres Mal, dass 70 Jahre später einige in der Stadt Kavala versuchen, die Geschichte zu verfälschen“.

 

Leicht haben es Moses Constantinis, ehemaliger Präsident des Zentralrates der Juden in Griechenland und sein Nachfolger David Saltiel nicht, zumal die rechtsradikale Neonazipartei „Goldene Morgenröte“ immer mehr Anhänger findet, und nicht nur in die Regierung, sondern auch ins Europäische Parlament einzog, wo sie bereits mit anderen rechten Gruppierungen eine Fraktion bilden konnte.

 

In den Regierungsämtern angekommen, werden die verbalen Entgleisungen, die sich griechische Politiker noch im Wahlkampf leisteten, meist nicht mehr wiederholt. Verteidigungsminister Kammenos erneuerte das Bekenntnis zur griechisch-israelischen Waffenbrüderschaft. Zustande kam dieser Militärpakt als Teil der neuen NATO-Strategie, die mit Ländern wie Israel oder der Ukraine enger zusammen arbeiten will. Mit Sorge beobachtet Griechenland die Neuausrichtung der Türkei und profitiert von der militärischen Kooperation zum Beispiel durch gemeinsame Manöver der griechischen und israelischen Luftwaffe über dem Ägäischen Meer. Neben der Aufwertung Griechenlands innerhalb der Nato profitiert Athen auch in der angeschlagenen Tourismusbranche, da nun mehr Israelis zum Urlaub nach Griechenland reisen. Im Energiesektor wurde die Zusammenarbeit ebenfalls verstärkt. So wird israelisches Gas von Griechenland nach Europa transportiert. Selbst beim Aufbau der Elektrizitätsnetze wollen Israel, Zypern und Griechenland enger zusammen arbeiten. „Persönlich glaube ich nicht, dass die neue Regierung antisemitisch ist“, erklärte Moses Constantinis, damaliger Präsident des Zentralrats der Juden in Griechenland und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Er denkt, „dass die Zusammenarbeit mit ihr ebenso gut wird wie mit der Vorgängerregierung.“

 

Doch die neue Freundschaft mit dem Land, das seit Jahrzehnten Israel gegenüber eher kritisch eingestellt war und sich vielfach für arabische Interessen einsetzte, ist brüchig. Das bemerken die griechischen Juden immer wieder von Neuem. Auch die Ansprüche der griechischen Kirche in Israel tragen wenig dazu bei, den latenten Antisemitismus der Bevölkerung in Griechenland zu verringern. Kürzlich zeigten Würdenträger der griechisch-orthodoxen Kirche ihre antisemitische Haltung offen während des G‘ttesdienstes. Von dem Jüdischen Weltkongress darauf angesprochen, äußerte sich der Athener Erzbischof Ieronymos II., der sich im Allgemeinen sehr zögerlich zeigt, wenn es um den kirchlichen Antisemitismus geht, dass die „griechisch-orthodoxe Kirche nicht diesen Aussagen zustimmt“ und lud die Delegierten des Jüdischen Weltkongresses in seine Athener Residenz zu einem Gespräch ein. Man dürfe nicht pauschalisieren, beschwichtigt Moses Elisaf, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde aus Ioannina, „es gibt Bischöfe in der griechisch-orthodoxen Kirche, die sich von extremen Sichtweisen fernhalten und Antisemitismus und Rassismus vehement bekämpfen“ und weist darauf hin, dass dies „auch während des Zweiten Weltkriegs der Fall gewesen war“. Erzbischof Ieronymos II., sagte Robert Singer nach dem Besuch der WJC-Delegation, „hat uns versichert, dass er offen den interreligiösen Dialog mit dem World Jewish Congress intensivieren will“.

 

Mehrfach reisten Delegierte des Jüdischen Weltkongresses (WJC) in den letzten Jahren zu Gesprächen mit griechischen Politikern und forderten eine stärkere Auseinandersetzung mit dem weit verbreiteten Antisemitismus, der die jüdische Gemeinschaft in Griechenland bedroht. Das Treffen mit dem Oberhaupt, dessen Kirche rund zehn Millionen orthodoxe Christen angehören, war bereits das neunte dieser Art. In der griechischen Öffentlichkeit wurden die vorigen acht Begegnungen des Jüdischen Weltkongresses mit dem Patriarchen bisher wenig beachtet. Ist Angst vor radikalen Antisemiten der Grund für die Verschwiegenheit der griechisch-orthodoxen Kirche?

 

Eingeplant auf dem Programm der Reise des Jüdischen Weltkongresses nach Athen Anfang September – die Delegationsleitung führte WJC Vorsitzender Robert Singer, gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Griechenland, waren auch Gespräche mit griechischen Spitzenpolitikern.

 

Kürzlich förderte die Regierung eine Initiative, die Lehrer anregen soll, im Unterricht öffentlicher sowie privater Schulen über den Holocaust zu informieren, wie es von jüdischer Seite bereits jahrzehntelang gefordert wurde. „Rassismus und Antisemitismus sind nicht nur irgendwelche Ansichten und Meinungen“, unterstrich Robert Singer, „sie sind für unsere Gesellschaft als Ganzes gefährlich, weshalb sie energisch bekämpft werden müssen. Der Schlüssel dazu ist Bildung und Festigkeit auch seitens der Regierung und der Zivilgesellschaft“. An den geführten Gesprächen nahmen neben Erzbischof Ieronymos II. auch der griechische Außenminister Nikos Kotzia, Bildungsminister Nikos Filis, der Minister für öffentliche Ordnung Nikos Toskas und Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis teil. Gemeinsam forderten der Jüdische Weltkongress und der Zentralrat der Juden die rechtsextreme „Goldene Morgenröte“ zu isolieren und zu bekämpfen und sich um die Eindämmung des latenten Antisemitismus in Griechenland einzusetzen, denn sie bedrohen nicht nur die jüdische Gemeinschaft sondern auch die demokratische Entwicklung des Landes.

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