Anzeige
Am Israel Chai – ein jüdischer Traum wird Wirklichkeit
„Am Israel Chai“ klang es an diesem Abend hundertfach aus den Kehlen der Sportler. Die Eröffnungsshow der Maccabi Games in der Berliner Waldbühne war ein gelungenes Highlight. „Ich wünsche euch friedliche und glückliche Spiele, begrüßte Popbarde Adel Tawil die 8.000 Zuschauer, die bei seinem Song „Zu Hause ist da, wo deine Freunde sind“ den er gemeinsam mit dem US-Sänger Matisyahu vortrug, voller Begeisterung von ihren Plätzen aufsprangen. Paulina Rojinski, die einst in Russland Rhythmische Gymnastik als Leistungssport ausübte und heute nicht nur Mitglied der Berliner Jüdischen Gemeinde, sondern inzwischen auch eine bekannte Schauspielerin, Moderatorin und DJane ist, führte durch den Abend und begrüßte die Redner, allen voran Bundespräsident Joachim Gauck und Zentralratspräsident Dr. Josef Schuster. „Das ist ein wunderbarer Moment und ein großartiger Vertrauensbeweis“, betonte Gauck. Lichtshow-Einlagen, Akrobaten und Tänzer beendeten das Event. Davor ratterten Motorradfahrer mit einer Fackel ins Stadion. Aus Israel hatten sie das Feuer quer durch Europa nach Berlin gebracht. Nun konnte die Makkabi-Flamme entzündetet werden. Höhepunkt war jedoch der gelungene Einmarsch aller jüdischen Sportler, die nach ihren Ländern geordnet in die Waldbühne einmarschierten und begeistert von den Zuschauern begrüßt wurden. Frenetischer Beifall erhielt die erste Delegation mit 118 Sportlern aus Israel. Die Briten stellten mit 153 Athleten die drittgrößte Delegation. Deutschland mit 365 Sportlern hatte die meisten, gefolgt von den USA mit 211 Makkabäern. Aus Georgien, Gibraltar und Irland kamen die kleinsten Gruppen. Makkabäer aus der Türkei marschierten unter der türkischen Flagge ein. Als sie abreisten, waren sie Sportler des türkischen Staates, unterwegs verwandelten sie sich in Makkabi Türkei. Zwar erlaubt der türkische Staat unter internationalem Druck inzwischen auch, dass seine Bürger Mitglieder in internationalen Organisationen sein können, betrachtet dieses jedoch mit Argusaugen und versucht es überall zu verhindern, wo er nur kann. Dies wissend, begrüßten die anwesenden Makkabäer aus allen Ländern die türkischen Sportler mit besonders viel Beifall.
„Die Christen haben Kirchentage mit vielen tausend Besuchern. Wir haben die Makkabi-Spiele“
Makkabi Games sind mehr als nur einfache Sportwettkämpfe. Sie zeigen und festigen auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der weltweiten jüdischen Gemeinschaft. Als Ron Carner, Chef von Makkabi USA erfuhr, dass die Spiele in Berlin stattfinden, sei er sehr aufgeregt gewesen, erzählte er. Beim Einmarsch hätte er als Leiter der Delegation auf den Zuschauersitzen Platz nehmen können, doch „diesen Einzug an diesem historischen Ort lasse ich mir nicht entgehen“, sagte er anschließend. Auch für Marathonläufer Dr. Jan Rosner aus Frankfurt war die Teilnahme an der Europäischen Makkabiade etwas ganz Besonderes. Eigentlich wollte er in die Niederlande und dort am „Ironman Maastricht-Limburg“ teilnehmen, dem Höhepunkt der europäischen Triathlon-Sportveranstaltung. Doch dann erfuhr der zweifache Sieger der Deutschen Triathlon-Meisterschaft der Ärzte und Apotheker bei dem Triathlon der Mediziner von den jüdischen Spielen „und nun bin ich hier“, sagt er und freut sich „die ganze Atmosphäre ist viel besser“. Dr. Florian Engel aus Karlsruhe, der beim Halbmarathon mitläuft, nickt zustimmend. Ganze Generationen traf man auf dem Olympiafeld. Der 16-jährige David Vorst aus Amsterdam hat seinen Großvater Bennie Muller mitgebracht, der in den 60er Jahren eine Fußballlegende war und über 400 Spiele bei Ajax Amsterdam kickte. Deborah Rosenthal, die Enkelin des bereits verstorbenen Dalli-Dalli-Showmasters Hans Rosenthal trat in Berlin bei der Feldhockey-Damenmannschaft an. „Die Christen haben Kirchentage mit vielen tausend Besuchern. Wir haben die Makkabi-Spiele“, sagt sie.
Makkabi Deutschland erkämpfte insgesamt 144 Medaillen
In 19 Spielarten traten die Makkabäer gegeneinander an. Neben altbekannten Disziplinen wie Fußball, Hockey, Schwimmen, Tischtennis, Volleyball, Basketball, Badminton Squash und anderen, waren diesmal auch neue Sportarten dabei, Dressurreiten, Marathon, Tennis oder Golf. Anders als bei den Olympischen Spielen waren auch ausgefallene Sportarten zugelassen, bei denen man sich fragen kann, ob es sich zum Beispiel bei Schach oder Bridge wirklich um Sport handelt. Georgien, Polen, Australien errangen jeweils eine Silbermedaille, Irland eine Bronzemedaille. Die Schweizer Mannschaft fuhr mit 6 Gold-, 6 Silber- und 8 Bronzemedaillen nach Hause. Die Mannschaft aus Großbritannien erkämpfte insgesamt 77 Medaillen und die US-Amerikaner 103. Am meisten gewann mit 144 Medaillen die Mannschaft von Makkabi-Deutschland. Einer von ihnen ist der Schwimmer Jonathan Ben Schlomo aus Freiburg. 2001 und 2009 gewann er in Israel bei der Makkabiade seine ersten Goldmedaillen, in Wien war er der einzige der vier Schwimmer von Makkabi Deutschland, der einen Sieg errang. Jetzt trainiert er auch die Schwimmer und baute eine jüdische Schwimmmannschaft bei Makkabi Deutschland auf. Jonathan Ben Schlomo, der in Freiburg Sport und Volkswirtschaft studierte und zur Zeit seine Doktorarbeit schreibt, hat eine enge Beziehung zu Israel. So engagierte er sich zum Beispiel erfolgreich für ein Austauschprogramm der Freiburger Uni mit einer israelischen Hochschule. Heute gehört er als Vizepräsident für Finanzen zum Führungsteam von Makkabi Deutschland. Sein größtes Schwimmerlebnis, erzählt er, hatte er 2009, als er zusammen mit dem schnellsten Mann der Welt und mehrfachen Olympiasieger Jason Lezak aus den USA geschwommen war. Ein Wettkampf der auch „im israelischen und amerikanischen Fernsehen übertragen wurde“.
Auch bei den diesjährigen Makkabi Games schauten berühmte Sportler und Sportlerinnen vorbei. Schwimmerin Sahra Poewe, die erste Jüdin, die eine Medaille bei den Olympischen Spielen für Deutschland nach dem Krieg gewann, ist zum Beispiel auch eine Patin der diesjährigen European Maccabi Games. Ihr Auftreten am Schwimmbecken erfreute viele ihrer Fans, die sich sogleich ein Autogramm von ihr holten.
Ausstellung vor dem Berliner Hauptbahnhof erinnert an hervorragende deutsch-jüdische Sportler
Entgegen der weit verbreiteten Meinung waren Juden schon immer im deutschen Sport präsent, als Athleten und Trainer. Doch nicht immer durften sie ihr Können zeigen. Gretl Bergmann zum Beispiel, die große Aussicht hatte, olympisches Gold zu gewinnen und dann von den Nazis 1936 nicht zugelassen wurde. An sie und einige andere Sportler erinnert eine Ausstellung auf dem Berliner Hauptbahnhof. Sporthistoriker haben Namen von 17 jüdischen Sportlegenden aus Deutschland zusammengestellt, die nun als Denkmal aufgestellt wurden. Sechs der Sportler, an die die Ausstellung erinnert, wurden ermordet. Julius Hirsch zum Beispiel in Auschwitz und Lilli Henoch, zehnfache deutsche Leichtathletikmeisterin, in Riga. Ihre Geschichte kann man auf der Rückseite der lebensgroßen Figur lesen. Die Aufarbeitung der Geschichte, der sich die deutsche Gesellschaft langsam in allen Bereichen, so auch im Sport stellt, zeigt, wie Oren Osterer, der Organisator der Maccabi Games betont, „dass jüdisches Leben wieder in der Mitte der deutschen Gesellschaft einen festen Platz hat“. Die letzte Pappfigur zeigt Sarah Poewe in Aktion – sie springt gerade in das Schwimmbecken.
Berlin zeigte sich in diesen Tagen weltoffen und tolerant. „Wir haben einen großen Zulauf von jüdischen Sportlern bekommen“, zieht Makkabi-Deutschland Präsident Alon Meyer Bilanz. Vor allem aber sind sich mehr Juden und Jüdinnen, die sich in anderen Vereinen sportlich betätigen ihrer jüdischen Identität bewusster geworden und manche lokalen Makkabi-Verbände werden in den nächsten Tagen neue Mitglieder aufnehmen können.
Seite < 1 2 >
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige