Lange bevor „Umweltschutz“ ein Begriff wurde, zum Erhalt natürlicher Ressourcen und dem maßvollen Umgang mit Dünger und Chemie aufgerufen wurde, praktizierten Juden eine ganz besondere Mizwa. Alle sieben Jahre wird das Land brach liegen gelassen, es muss sich erholen. Ein Ruhejahr für den Acker und die Bäume. So steht es in der Tora.
In diesem Jahr ist es wieder soweit. In Israel darf auf dem Land, das Juden gehört, weder gesät, noch geackert, noch geerntet werden. Ein Jahr lang wird die Natur sich selbst überlassen, das Land wird nicht bewässert, die Bäume nicht beschnitten. Wenn aber nun trotzdem essbare Pflanzen und Gemüse auf den Feldern wachsen, sind diese vor allem für die Armen da. Sie können sich davon nehmen, soviel sie wollen, nur bearbeiten sollen sie das Land nicht. Solche Ernten dürfen nicht verkauft werden.
Für ihren wirtschaftlichen Ausfall zahlt Israel in diesem Jahr den Landwirten rund 21 Millionen Euro. Nichtreligiöse Menschen mag das verwundern, heute, wie vor Jahrtausenden. Juden seien „faul und träge“ deutete schon Tacitus die Ruhephase im siebenten Jahr. Dieses Vorurteil hielt sich bei den Antisemiten seit der Römerzeit bis in die Gegenwart. Doch geht es vielmehr darum, aus den Ressourcen der Erde wie aus den Menschen nicht immer das Letzte herauszupressen. Wer im Einklang mit der Natur leben will, muss ihr auch eine Atempause gewähren.
Es gibt aber auch noch eine andere Bedeutung der Schmitta-Mizwa, die nur in Israel gültig ist. Im siebten Jahr steht nicht Besitztum und Materialismus im Vordergrund, sondern die Liebe zu G'tt und die Unterwerfung unter seine Gebote. Nach dem Talmud war das 70-jährige babylonische Exil eine Strafe für die 70 Schmitta-Jahre, die während des ersten jüdischen Gemeinwesens nicht eingehalten wurden. Spätere Generationen schenkten dann wiederholt den Geboten keine Beachtung und wieder passierte das, vor dem die Tora die Gläubigen gewarnt hatte: „Exil kommt über die Welt für Götzendienst, Inzest, Mord und das Nichtruhenlassen der Erde während des Schmitta-Jahres“.
Doch gelten diese Gesetze nur für Israel. Juden in der Diaspora sind davon nicht betroffen. Wer allerdings seinen Teil zur Durchsetzung des Brachjahres beitragen möchte, kann für ein Jahr Ackerland in Eretz Israel erwerben, das während dieser Zeit dann garantiert nicht bearbeitet wird. In Israel wird oft die Methode des Heter Mechira, den auf das Schmitta-Jahr zeitlich begrenzten Verkauf des Ackers an einen Nichtjuden, angewandt. Was dann auf diesem Land angepflanzt und geerntet wird, unterliegt nicht den Schmitta-Gesetzen. Dies ist allerdings umstritten. Möglich ist dagegen, die Ernte dem Beth Din zu überlassen. Der gesamte Kauferlös soll der jüdischen Gemeinschaft zu Gute kommen. Wein, der zum Beispiel in diesem Jahr geerntet und gekellert wird, kann somit durchaus „koscher“ sein. Diese Methode des „Otzat Beit Din“ ist wesentlich weniger umstritten, als der Heter.
Im „Institut für landwirtschaftliche Forschung“ wurden Methoden entdeckt, die das Wachstum der Pflanzen verlangsamen. Der Bauer muss das Saatgut kurz vor Beginn des Neuen Jahres wesentlich tiefer als sonst in die Erde stecken, so dass die Pflanzen mehr Kraft für ihr Wachstum aufbringen müssen. Wenn er Glück hat, verzögert sich die Reife und er kann erst Anfang des übernächsten Jahres ernten. Auch erforscht das Landwirtschaftsinstitut weitere Methoden um das Pflanzenwachstum, teilweise mit chemischen Zusätzen, künstlich zu verlängern. Lebensmittel, die jedoch von Nichtjuden angebaut, geerntet und verkauft werden, dürfen ohne Beschränkung konsumiert werden.
Während des Schmitta-Jahres stehen mehr Töpfe mit Tomaten und anderem Gemüse sowie verschiedene Kräuter auf israelischen Balkonen. Pflanzen, die unter einer Überdachung und in einem Behälter gepflanzt werden, der kein Loch für eine Bewässerung und keine Berührung mit dem offenen Feld hat, unterstehen nicht den Schmitta-Gesetzen.
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