• Luxemburgs Gemeindepräsident Francois Moyse zeigt die Mikwe im marokkanischen Stil.

  • Das „Frauenbad“ war zugleich ein geselliger Treffpunkt. Kupferstich von 1730.

  • Die einzige erhaltene historische Mikwe Österreichs steht in Hohenems – anno 1829.

Angenehm temperiert sind heute alle modernen Mikwaot. Allen gemeinsam ist die funktionale Architektur, ohne besonderen baulichen Schnörkel und dennoch sind manche wahre Schmuckstücke. Stolz auf die Schönheit ihrer ganz im orientalischen Stil mit Mosaiken geschmückte Mikwe ist die jüdische Gemeinde in Luxemburg. Die kleinen Steinchen stammen aus Marokko, betont Präsident François Moyse und in Dortmund ist das Bad teilweise mit Weißgoldfliesen ausgestattet. In Deutschland und Österreich zusammen gibt es etwa 45 ständig genutzte Mikwaot. Über die Hälfte aller jüdischen Gemeinden verfügen über keine eigenen Tauchbäder, so auch die Gemeinden von Speyer, Worms, Baden, Karlsruhe und Offenbach. In Mainz, wo vor genau zwei Jahren eine moderne Synagoge eröffnet wurde, die zwar bereits genutzt wird aber noch nicht komplett fertig ist, war von Anfang an auch eine Mikwe eingeplant. Demnächst wird mit dem Bau begonnen, freut sich Rabbiner Julian-Chaim Soussan, der seit diesem Jahr in Mainz amtiert. Sauberkeit und Gesundheit wurden Anlass für Pogrome „Das Bad in der Mikwe ist für uns ein Symbol der immerwährenden Erneuerung. Der Sehnsucht zwischen Mann und Frau, der Erneuerung der Gemeinde und der Erneuerung des Glaubens“, betonte Israels Oberrabbiner Yona Metzger anlässlich der Einweihung der neuen Dortmunder Mikwe. Ein positiver Nebeneffekt ist die hygienische Reinlichkeit der Juden.

 

Was im Mittelalter oft Anlass für Pogrome wurde. Nichtjüdische Bewohner einer Stadt wuschen sich seltener. Krankheiten und Epidemien breiteten sich unter ihnen schneller aus, während die Juden oft verschont blieben. Antisemiten meinten darin einen Pakt mit dem Teufel erkennen zu können und schleppten jüdische Frauen und Männer auf die Scheiterhaufen, wo sie verbrannt wurden. Dies geschah verstärkt in Zeiten von Pest- und anderen Epidemien.

 

Das Tauchbad wurde Vorbild für die christliche Taufe

Nichtjuden, die zum Judentum übertreten, müssen vorher im Tauchbad ihr altes Leben abstreifen und tauchen als „Neugeborene“ hervor. In früheren Zeiten machte man dies auch in Flüssen oder im Meer. Die ersten Christen übernahmen dieses Ritual und tauchten bei ihrer „Taufe“ anfangs ebenfall mit dem ganzen Körper unter Wasser. Später wurde daraus ein Bad im Taufbecken, in das christliche Kleinkinder noch heute getaucht oder auch nur mit dem „geweihten“ Wasser besprengt werden.

 

Kaschern von Geschirr in der Mikwe

Wie viele Tauchbecken eine jüdische Gemeinde zur Verfügung hat, ist meist von finanziellen Möglichkeiten abhängig. Jüngst wurde in Lengnau, in der Schweiz, eine historische Mikwenanlage mit drei Becken entdeckt. Das dritte Becken, darüber sind sich die Experten einig, wurde zum Kaschern von Geschirr genutzt. In einigen Gemeinden befindet sich dieses Becken, der „Kelim“, in einem anderen Raum, aber auch Kaschern von neu gekauftem Geschirr unter freiem Himmel im Fluss oder im Meer ist möglich. Das gilt auch für Teller und Töpfe für milchige Speisen, die versehentlich mit Fleischigem in Berührung kamen und umgekehrt. „Es gibt viele Arten zu Kaschern“, betont die liberale Rabbinerin Elisa Klapheck, „auch in einem Geschirrspülautomaten, wenn das Wasser darin kochend heiß ist“.

 

Das liberale Judentum bezieht die Mikwe in ihren religiösen Ritus mit ein

Auch bei den Anhängern der liberalen Richtung des Judentums ist eine Tendenz, die Mikwe stärker ins religiöse Leben mit einzubeziehen, erkennbar. In Großbritannien und vor allem in den USA war hierbei die „Jewish-Renewal-Bewegung“ Vorreiter, die neben den orthodoxen Frauen und Männern das Tauchbad auch für moderne liberale Juden entdeckte und viele Neuerungen und neue Zeremonien einführt. In der Mikwe taucht man nun auch „etwa nach einer überstandenen Krankheit oder mit dem Beginn einer neuen Lebensphase“ unter, betont Rabbinerin Klapheck, die sich wünscht, das wie in Berlin, wo es zwei Mikwaot für orthodoxe und liberale Juden gibt, auch „im Frankfurter Raum die Nutzung einer Mikwe für liberale Juden möglich wird“. Neben traditionellen Anlässen wie Geburt, Hochzeit oder nach der monatlichen Blutung betont Klapheck, soll der Gang in die Mikwe für alle neuen Lebenssituationen selbstverständlich sein. Als Beispiel nennt sie eine erfolgreich abgeschlossene Abiturprüfung. „Danach beginnt ein neuer Lebensabschnitt.“

 

Auch einen Umzug in eine neue Wohnung oder eine Partnerschaft nennt sie als Gründe, die Mikwe aufzusuchen und ein „Übergangsritual“ zu zelebrieren. Jede Frau sollte in die Mikwe gehen, wenn sie es für richtig hält, ohne die, ihrer Meinung nach unnötige Kontrolle durch eine Balanit. Havia Nur David, israelische Hochschuldozentin und seit Kurzem auch Rabbinerin, erzählte von einem Ritual des Untertauchens für neugeborene Mädchen, das sie für ihre zwei Monate alte Tochter entwickelte, „als Äquivalent zur Brit Mila“. „Es gibt nicht nur die orthodoxe Verwendung“ betont Rabbinerin Elisa Klapheck, „sondern auch liberale Herangehensweisen“.

 

Gleich ob orthodox oder liberal genutzt, erlebt die Mikwe gegenwärtig ein Revival als Frauentreffpunkt. Wartezeiten überbrückt man vielerorts wieder mit Süßigkeiten, Kaffee oder Tee und dem Austausch von Neuigkeiten, wie in früheren Jahrhunderten. 

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