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Begeisterten Beifall ist Joseph Malovany gewöhnt. Die mächtige Tenorstimme des Sängers, den Leonid Bernstein als „Pavarotti der Synagoge“ bezeichnete, war schon in allen großen Konzerthallen der Welt zu hören. Auch Könige und Präsidenten lauschten seinen mal gewaltigen, mal gefühlvoll vorgetragenen Tönen. Viele Preise errang der berühmte Kantor der New Yorker Fifth Avenue Synagoge. Ihm zu Ehren wurde 2002 in Litauen eine Münze geprägt, in Polen erhielt er als erster jüdischer Kantor der Welt von dem damaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski die Auszeichnung „Kommandeur der Ehrenlegion“. Er sang im Israel Philharmonic Orchestra und dem Philadelphia Orchestra unter dem Dirigenten Zubin Mehta, er trat in Yad Vashem und zur Eröffnung des Museums der Geschichte der polnischen Juden in Warschau auf. Auf allen Bühnen der Welt, in Australien, Amerika, Asiens oder Europas erklang seine Stimme. Doch wenn Chasan Joseph Malovany am Schabbat in der Synagoge singt, ist der ansonsten extrovertierte Mann völlig in sich gekehrt. Und ganz auf G‘tt konzentriert, „er gab mir meine Stimme und ich verwende diese, um ihm zu dienen“.
Vor allem die Ausbildung junger Chasanuth und die Weitergabe ritueller jüdischer Gesänge liegt dem berühmten Professor für liturgische Musik an der Belz School of Music der New Yorker Yeshiva Universität am Herzen. Auch außerhalb Amerikas setzt er sich für die Wiederbelebung und Bewahrung der alten Melodien ein. So ist er nicht nur Chasan der Edgware Synagoge in London, sondern auch der Dekan der Moskauer Akademie für jüdische Musik. Seit drei Jahren ist er zusätzlich auch Mentor und Rektor des „Institutes für Traditionelle Jüdische Liturgie“, einer Außenstelle des Berliner Rabbinerseminars im Leipziger Ariowitsch-Haus. „Die europäischen Juden haben eine jahrhundertealte Tradition“, betont Malovany. Diese droht nun in Vergessenheit zu geraten, während sie in Israel und auch in den USA gepflegt wird. „Wir wollen die alten Melodien auch in Deutschland wieder mit neuem Leben erfüllen“, sagt der Kantor, der extra dafür aus New York anreiste.
Das gesungene Gebet ist von alters her Teil des religiösen Rituals der Juden und hilft die spirituelle Verbindung der Gläubigen zu G‘tt zu unterstützen. Die Nussachmelodien nähern sich der ursprünglichen Tempelmusik an und sind heute vor allem im orthodoxen G‘ttesdienst ein nicht mehr wegzudenkendes Element. Im Judentum gab es verschiedene kantorale Gesänge, vor allem in Osteuropa, aber auch in den deutschen Gemeinden, die teilweise vergessen sind.
16 Absolventen nehmen zur Zeit an der kostenlosen Leipziger Kantorenausbildung teil. Sie kommen aus allen Teilen Deutschlands und sind Mitglieder auch kleinerer Gemeinden. Nach ihrer zweijährigen Ausbildung werden sie dann in der Lage sein, vor allem den Schabbat-G‘ttesdienst leiten zu können, als Kantor oder auch als einfaches Gemeindemitglied. Zweimal im Jahr unterrichtet Joseph Malovany persönlich in einem Blockseminar, die weitere Ausbildung übernimmt der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla, der ebenfalls ein Kantor und auch Musiker ist. Andere Seminare laufen aber auch übers Internet. Weiterhin bietet das Curriculum neben aller erforderlichen Qualifikationen für Chasanim und Baalei Tefilla, die in der Lage sind, einen G‘ttesdienst zu leiten und aus der Tora wie auch die jeweilige Megilla lesen können, auch Wissen über die Tora und verschiedene rabbinische Gelehrten an.
Eng arbeitet das „Institut für Traditionelle Jüdische Liturgie“ auch mit der Leipziger Universität zusammen, die ebenfalls verschiedene Veranstaltungen anbietet. Als wir das Institut besuchten, kam gerade Prof. Helmut Klotz zu Tür herein, der von allen herzlich begrüßt wurde. Der bekannte Kammersänger hatte vierzig Jahre den Leipziger Synagogalchor geleitet, zu dem ihn der damalige Präsident des Verbandes der jüdischen Gemeinden der DDR, Helmut Aris, ermuntert hatte. Gegenwärtig erteilt Prof. Klotz fortgeschrittenen musikalischen Studenten auch Einzelunterricht in der Ausbildung ihrer Stimme. Mit dem „Institut für Traditionelle Jüdische Liturgie“ entstand in Leipzig nicht nur ein weiteres Angebot für eine Qualifikation der Studenten des Berliner Rabbinerseminars wie für Kantoren und jüdische Laien, sondern bereichert zugleich auch das jüdische Leben dieser Stadt, die vor dem Krieg ein Zentrum jüdischer Kultur war.
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