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In der Freien Universität Berlin gab es zahlreiche antiisraelische Demonstrationen.
Zu lascher Umgang mit Gewaltverherrlichung
Besorgniserregend ist auch der zu lasche Umgang vieler Professor*innen, Dozent*innen und Universitätsleitungen. In vielen Fällen berufen sie sich auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit – der Campus dürfe nicht als Diskursraum eingeschränkt werden. Zu häufig werden dabei offene Aufrufe zur Vernichtung Israels und des jüdischen Lebens durch Wegschauen bagatellisiert und durch die Passivität der Hochschulen normalisiert. Besonders drastisch zeigte sich das an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, wo die Hochschulpräsidentin Bettina Völter behauptete, die Proteste seien „eine ganz friedliche Veranstaltung“ gewesen – obwohl Videos das Gegenteil belegen. Handyaufnahmen zeigen, wie die Besetzer zur Globalisierung des Terrors aufrufen, den Terror verherrlichen, rote Dreiecke zeichnen, mit denen die Hamas ihre Gegner markiert und an die Tür ein Schild hängten auf dem stand „Zion ist hier nicht willkommen“. Journalist*innen, die darüber berichten wollten, wurden körperlich angegriffen, ihr Arbeitsmaterial aus den Händen geschlagen und aufgefordert, die Pressearbeit zu beenden.
Der Sprecher der Deutschen Journalistenunion Jörg Reichel kritisierte, dass man „offensichtlich eine Dokumentation des Antisemitismus und Israelhasses der Besetzer verhindern“ wollte. Beim Eintreffen von Journalisten, berichtet Reichelt, „blockierte die Hochschulleitung und zahlreiche vermummte Besatzer über 80 Minuten abwechselnd mit ihren Körpern die schmale Treppe zum Audimax, in dem antisemitische Propagandamaterialien und Gewaltaufrufe sichtbar auslagen“.
„Our Narratives“ – der unkritische Umgang mit den Hamas-Thesen
Auch hier hat die Welle eine Vorgeschichte, die von den Vereinigten Staaten auf dem europäischen Kontinent übergeschwappt ist: Spätestens seit der Veröffentlichung des 16-seitigen Thesenpapiers „Our Narrative – Operation Al-Aqsa Flood“, das die Hamas im Januar 2024 auf ihren Kanälen publik gemacht hat, ist der Strategiewechsel der Terrororganisation schriftlich untermauert. Während allgemein die Hamas in arabischer Sprache kommuniziert, ist dieses Thesenpamphlet auffällig in englischer Sprache verfasst. Mit einer klar strukturierten Rhetorik und einem intellektuellen Sprachstil, versucht die Hamas ihren Kampf auf die internationale Bühne auszuweiten.
Rekrutierung durch Hamas- nahestehende Organisationen?
Ein Jahr nach der Veröffentlichung lässt sich feststellen: Die Propaganda-Thesen haben sich im akademischen Umfeld weit ausgebreitet. Getarnt als Israelkritik werden sie zunehmend zitiert – ohne die Urheber zu benennen oder zu hinterfragen. Nicht nur in linken Kreisen wird zum Beispiel der 7. Oktober als Reaktion auf die israelische Aggressionen verharmlost und verklärt, die Intifadawellen oder Kriegshandlungen als palästinensischer Widerstand verherrlicht, und so verpackt, als handle es sich um einen legitimen Akt der Verteidigung.
Auch die Frage, inwieweit Hamas-nahe Wanderprediger möglicherweise Aktivisten, Sympathisanten oder sogar zukünftige Kämpfer für die Hamas rekrutierenn sind Fragestellungen die im politisch-gesellschaftlichen Diskurs bislang noch gar nicht existieren.
So berichtet uns ein Physik-Student an der Goethe Universität Frankfurt, der aus Sicherheitsgründen namentlich unbenannt bleiben möchte, von einem mutmaßlichen Anwerbungsversuch: „Wir befanden uns im Nebenraum des Hörsaals zu einer Physik-Übungsstunde. Da kamen arabisch aussehende Personen auf mich zu, die sich als Studierende ausgaben. Ich hatte sie aber vorher noch nie hier gesehen“. Der Vorfall ereignete sich vor wenigen Monaten. „Sie versuchten mich in ein Gespräch zu verwickeln, während ich eigentlich nur den Physikübungen folgen wollte. Doch sie ließen nicht locker und versuchten meine politischen Positionen abzutasten. Einer hielt mir sein Handy hin, zeigte mir historische Karten, die belegen sollten wie angeblich Israel im Laufe der Zeit den Palästinensern immer mehr Land geraubt hätte. Später habe ich sie noch ein paar mal in der Fakultät gesehen als sie mit anderen Studierenden sprachen. Nachdem sie bei mir gescheitert waren, würdigen sie mir keinen Blick mehr“. Inzwischen finden die Aktivitäten nicht mehr nur im Verborgenen statt. „Kürzlich habe ich auf dem Uni Campus einen sehr offensichtlichen Flyer mit der Aufschrift ,Hamas Mediaʼ entdeckt, ob es einen Zusammenhang gibt, weiß ich nicht“, beschreibt er weiter.
Die gezielte Infiltration von Hochschulen durch Hamas-nahe Akteure folgt einem klaren Muster: Durch studentische Organisationen, finanzielle Unterstützung bestimmter akademischer Programme und Einfluss auf Lehrinhalte werden antiisraelische Narrative gefördert. In einigen Universitäten sind es gezielt eingerichtete Stipendienprogramme, die es Hamas-Sympathisanten ermöglichen, langfristig Strukturen innerhalb der Hochschulen aufzubauen. Zudem werden gezielt Verbindungen zu linken Aktivisten geknüpft, um Antisemitismus unter dem Deckmantel von Menschenrechtsdiskursen zu verbreiten.
Die Reaktionen auf diese Problematik fallen in Europa und den USA unterschiedlich aus. Während in Deutschland wenig gegen diese Entwicklungen unternommen wird, haben Länder wie Frankreich und Großbritannien verstärkt Maßnahmen eingeleitet. Die französische Regierung etwa hat bestimmte pro-palästinensische Organisationen verboten, die mit Hamas-nahen Strukturen in Verbindung stehen. In den USA wurde bereits unter Ex-Präsident Biden eine verstärkte Bekämpfung antisemitischer Gewalt auf Universitätscampussen angekündigt, wobei Universitäten staatliche Fördermittel verlieren können, wenn sie antisemitische Vorfälle nicht konsequent ahnden.
Auch in der Schweiz breiten sich die antizionistischen Proteste an den Universitäten aus. Vorfälle gab es zum Beispiel in Basel, Genf, Luzern und Bern. Pro-Palästina-Aktivisten störten beispielsweise eine Podiumsdiskussion über Antisemitismus mit Ralph Friedländer, dem Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. Bei der Untersuchung des Vorfalls fiel die Wiederholung des Musters auf: Wie bei ähnlichen Vorfällen, etwa an der „Alice-Salomon Hochschule“, waren der radikalsten Teilnehmer gar keine Studierenden.
Auffälliges Anwerbungsmuster
Hamas-Aktivisten, die sich im Universitätsmilieu aufhalten, laden ihre potentiell Anzuwerbenden zu Seminaren und online-Veranstaltungen ein und vernetzen sich physisch oder über das Internet. Dahinter verbirgt sich offensichtlich eine groß angelegte Strategie. Bei Veranstaltungen in Madrid, Berlin und Brüssel trafen sich bereits hochrangige Mitglieder der Hamas mit Vertretern der Dschenin-Brigaden, einer militanten palästinensischen Gruppierung, der Hisbollah, der Huthis, der PFLP und anderen israelfeindlichen Organisationen um sich zu vernetzen und über gemeinsame Strategien in Europa sowie direkte Rekrutierungen zu beraten.
Said Abdulnasser mitten unter den Uni-Protesten in Berlin
Vor allem Studentinnen und Studenten der Ingenieurswissenschaften aber auch andere haben sie dabei im Visier. Video- und Fotoaufnahmen belegten zum Beispiel die Anwesenheit des durch Europa tourenden Said Abdulnasser, Vorsitzender der inzwischen verbotenen deutschen Sektion der Gruppe Samidoun, bei der Besetzung der Humboldt-Universität. Zwar hatten Studierende zur pro-palästinensischen Demo aufgerufen, doch sind diese Veranstaltungen längst von radikalen antisemitischen Gruppierungen unterwandert, wie die Vorfälle an deutschen und Schweizer Universitäten belegen.
Auch Professoren und Rektoren im Visier
Israelfeindliche Organisationen haben inzwischen nicht nur auf Studierende sondern auch auf Professoren und Hochschuldozenten, die sich in der Auseinandersetzung um den Nahostkonflikt im guten Glauben unwissentlich missbrauchen lassen, bereits an Einfluss gewonnen. In Bern löste die Universität ihr Nahost-Institut auf. Rektor Christian Leumann betonte, das die Uni „jede Gewalt und Diskriminierung verurteilt“. Doch ist dies keine Lösung. Die jüdischen Studierenden sind verunsichert, haben Angst zu den Vorlesungen zu gehen oder verleugnen ihre jüdische Zugehörigkeit. Eine gesamtgesellschaftliche Lösung ist nötig.