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Ein aussergewöhnliches Konzert gab es in der Jüdischen Gemeinde Bad Nauheim. Auf dem Schofar blies Peter Dostál-Berg die Hatikwa und Karel Lorenc vom Münchner Synagogenchor Schma Kaulenu sang dazu.
Höhepunkt der Veranstaltung war der gemeinsame musikalische Vortrag des Gefangenenchores aus Verdis Oper Nabucco. Das anwesende Publikum staunte. Kannten alle bisher das Schofar doch lediglich als ein Signal aus dem G‘ttesdienst. Doch das Horn kann viel mehr. So zeigte Musiker Dostál-Berg bereits zu Beginn wie viele Töne er dem Schofar entlocken kann und spielte mehrfach die Tonleiter rauf und runter. „Der Ton kommt allein aus dem Kopf und nicht aus dem Instrument“, erklärte er. Anders als bei den später entstandenen Blasinstrumenten ist das Schofar nur ein ausgehöhltes Horn, dessen Mundstück einfach abgeschnitten wurde. Der Ton wird durch die Schwingung der Lippen erzeugt, das Schofar unterscheidet sich damit von der Trompete. „Schofarbläser können deshalb mit einem Atemzug extrem lange Motive spielen“, sagt Dostál-Berg, der im südlichsten Zipfel Deutschlands, im Berchtesgadener Land wohnt und Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayerns sowie der Salzburger „Europäischen Akademie der Wissenschaft und Künste“ ist. „Seit Jahrhunderten lebte meine Familie in Schlesien und im mährischen Olmütz, wo ich geboren wurde“, erzählt er. Seine Großeltern und Mutter überlebten den Holocaust durch die Hilfe eines Priesters, der aus dem Kirchenbuch jene Seiten entfernte, aus denen hervorging, dass die Familie jüdisch ist. Zusätzlich fertigte dieser mutige Katholik ihnen gefälschte Taufscheine aus.
„Das geschliffene Widderhorn gehört zu den ältesten Instrumenten überhaupt und begleitet die Juden seit Jahrtausenden“, erklärte Peter Dostál-Berg zu Beginn der Veranstaltung den Zuhörern, die über die vielen Töne, die er dem Schofar entlockte, sehr überrascht waren. Als Musiker ist er überzeugt, dass früher ganze Melodien auf diesem Horn geblasen wurden. Die Fähigkeit dazu ging jedoch im Laufe der Jahrhunderte verloren. Nun bietet er sein Können vor allem jüdischen Gemeinden an und hofft auf großes Interesse.
Doch nicht nur das Schofar fasziniert Dostál-Berg, der aus einer Musikerfamilie stammt und mütterlicherseits mit Alban Berg verwandt ist. Zwei weitere Instrumente stellte Peter Dostál-Berg in Bad Nauheim vor, eine silberne Chazozra-Trompete, deren Klang, seiner Meinung nach, einst die Mauern von Jericho zum Einsturz brachten. Vor allem jedoch war sein Spiel auf der „Clarina Nova“ ein weiterer Höhepunkt. Jahrelang hatte Peter Dostál-Berg geforscht, um das ebenfalls alte Instrument neu ins Bewusstsein der Musikfreunde zurück zu holen und so „zu bewahren, was von einer langen und reichen, aber weitgehend untergegangenen deutsch-böhmisch-jüdischen Musiktradition in Mitteleuropa noch gerettet werden kann“. Im Archiv des Fürsten Karl Schwarzenberg entdeckte er eine historische Clarina, die er detailgetreu nachbauen ließ. In der Renaissance und im Barock galt das Spiel auf diesem Blasinstrument als große Kunst. „Ich möchte der alten Clarina-Blastechnik wieder jene Bedeutung verschaffen, die sie einst hatte“, sagt der tschechisch-deutsche jüdische Musiker, der sie hervorragend beherrscht und trug ein Musikstück des Komponisten Salomon Hebreo Rossin vor, der lange Zeit vergessen war, bis er im 19. Jahrhundert von Baron Edmond de Rothschild neu entdeckt wurde. Auch für die Wiederbekanntmachung dieser Kompositionen setzt sich Peter Dostál-Berg ein, und das nicht nur in Bad Nauheim.
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