GESCHLAGEN, GETRETEN, ERSCHOSSEN

JUDENHASS IN FRANKREICH

Schon wieder wurde in Frankreich ein Jude brutal angegriffen. Vier arabisch sprechende Männer schlugen mitten in der Pariser Metro den 28-jährigen A. Levy zusammen. Andere Passagiere riefen die Polizei, die Schläger flüchteten.

  • Der Sitz des französischen Dachverbandes CRIF in der Rue Broca in Paris.

  • „Das größte Problem ist der Antisemitismus“, sagt CRIF-Präsident Dr. R. Cukierman.

  • Front-National-Chefin Marine Le Pen auf Stimmenfang.

  • Premierminister Manuel Valls verbot die Tournee des Kabarettisten M‘Bala M‘Bala.

Der Angriff geschah Anfang März. Während zwei Männer A. Levy fest halten, würgt ein Dritter den Chabad Lubawitscher. Ein vierter schlägt ihn dann in sein Gesicht. „Jude“ brüllen sie ihn an, „ihr sollt kein Land haben“. Der islamistische Antisemitismus tritt in Frankreich immer offener auf. Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass in Toulouse auf eine Schule geschossen und ein Lehrer sowie mehrere Kinder tödlich getroffen wurden. „Antisemitische Übergriffe steigen in Frankreich rasant an“ bestätigt Alain Jakubowitz, der Vorsitzende der „Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus“. Im September vergangenen Jahres detonierte ein Sprengsatz in einem Laden für koschere Lebensmittel in der Pariser Vorstadt Sarcelles. Eine Frau wurde verletzt. Die fanatischen islamistischen Täter sind meist Franzosen, in Frankreich aufgewachsen und auch zur Schule gegangen. Jetzt wurde bei einem Großeinsatz in Nizza, Cannes und Straßburg zehn junge Franzosen, die kürzlich zum Islam konvertierten, festgenommen und verhört. Dabei entdeckte die Polizei „ein Netzwerk, quasi eine Zelle“ von radikalen Islamisten, deren Ziele auch jüdische Einrichtungen waren. Bei einem Empfang des CRIF versprach Staatspräsident François Hollande die „totale Mobilisierung des Staates zur Bekämpfung aller Terrorgefahren“ und den „Schutz religiöser Einrichtungen zu verstärken“.

 

Antisemitismus ist das größte Problem

„Die Zusammenarbeit mit der Regierung ist gut“, lobt Dr. Roger Cukierman, der Präsident des CRIF, des „Conseil Représentatif des Institutions juives de France“, der größten und auch wichtigsten Dachorganisation der französischen Juden. Gefragt, was das gegenwärtig größte Problem ist, antwortet er sofort und sehr schnell: „Antisemitismus, Antisemitismus und nochmals Antisemitismus.“ Dabei unterscheidet er verschiedene Formen. Da gibt es zum einen den latenten traditionellen Antisemitismus, der immer noch tief in einigen Teilen der französischen Gesellschaft verankert ist. Besorgt ist Cukierman „über den Aufstieg und Erfolg der Front National in der öffentlichen Meinung“. Seltsamerweise unterstützen auch Juden die rechte Partei im Irrglauben, nur weil Parteivorsitzende Marine Le Pen zur Zeit öffentlich kaum gegen Juden, dafür desto mehr gegen Muslime und Immigranten aus Schwarzafrika auftritt, seien sie und ihre Anhänger keine Antisemiten. Die Geschichte, auch die französische, hat anderes gelehrt. Klar und deutlich benannte Präsident François Hollande bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich der Deportation von Juden in die NS-Vernichtungslager, dass „dies ein von Frankreich begangenes Verbrechen war“. Im Juli 1942 waren im Pariser Umland und in der Metropole über 13.000 Juden festgenommen und dann in die NS-Vernichtungslager deportiert worden. Die französische Polizei hatte damals Listen selber erstellt. „Kein einziger deutscher Soldat ist für diese Massenverhaftungen mobilisiert worden“, betonte Hollande in seiner Rede. Während der ehemalige Präsident François Mitterand ausschließlich die deutsche Besatzung für die Verbrechen verantwortlich gemacht hatte, war es Präsident Jacques Chirac, der zum ersten Mal von der „untilgbaren Schuld“ Frankreichs sprach. Auch Präsident Hollande sagte dem Antisemitismus den Kampf an und betonte, Judenfeindlichkeit muss „entlarvt und bestraft werden“. Frankreich stellt sich unter seiner Regierung „allen Ideologien der Ausgrenzung, allen Formen der Intoleranz, des Fanatismus und Fremdenfeindlichkeit mit allergrößter Entschlossenheit“ entgegen. Es ist wichtig, so CRIF-Präsident Cukierman, das Bewusstsein für die französische Verstrickung in die Verbrechen der Shoa und überhaupt die Erinnerung an den Holocaust aufrechtzuerhalten und dem Vergessen entgegen zu wirken.

 

Cukierman: „Die Werte Frankreichs sind in Gefahr“

Eigentlich könnten Frankreichs Juden sich von der Politik beschützt fühlen. Doch unterscheiden sich die Handlungen und Versprechungen der Regierung von der Tatsache eines wachsenden Antisemitismus in der Bevölkerung. Mutig verbot der damalige Innen- und heutige Premierminister Manuel Valls die Tournee des Kabarettisten Dieudonné M‘Bala M‘Bala, dessen sogenannte „humoristische Veranstaltungen“ voller antisemitischer und rassistischer Parolen sind, als er in Nantes sowie in Tours auftreten wollte. Es kam zur Klage. Der „Staatsrat“, die höchste juristische Instanz, gab Manuel Valls Recht. „Enorm beängstigend“, tönte Front National-Chefin Marine Le Pen, zetert von einer Zensur und schob eine hysterische Debatte in Frankreich an. Besonders in Toulouse häufen sich antisemitische Vorfälle, die oft nicht an die Öffentlichkeit gelangen, aus Angst vor Repressalien. Kinder und Erwachsene werden beschimpft, Hakenkreuze und antisemitische Parolen an Wände geschmiert. Arc-en-Ciel, eine mutige Bürgerbewegung, wollte dagegen Gesicht zeigen und organisierte eine Demonstration, an der 2.000 Menschen teilnahmen. Doch die Kundgebung wurde massiv von linksradikalen Gegendemonstranten gestört. „ Zionisten, weg mit euch!“ schrieen sie. „Wir sind besorgt über die extremen Linken, die als Anti-Zionisten einen Boykott israelischer Produkte befürworten“, sagt Cukierman. Diese Form der Kritik an Israel führte ebenfalls zu einem Hass auf die Juden. Immer wieder organisieren linke politische Gruppierungen gemeinsam mit radikalen Palästinensern und deren Sympathisanten Auftritte gegen Frankreichs Juden. Studenten der „Universität Paris 8“ in Saint Denis bei Paris wollten im März eine Informationsveranstaltung über Israel durchführen, die von der pro-israelischen Gruppe „What Israel“ gemeinsam mit der „Jüdischen Studentenvereinigung“ vorbereitet worden war. Mit Parolen wie „Israel, hau ab, Paris 8 gehört dir nicht“, der Verteilung von Flugblättern, die zum Israel-Boykott aufrufen und dem Schwenken großer Palästinaflaggen, wurde die Veranstaltung gestört. Statt die Unruhestifter aus der Uni rauszuwerfen, unterbrach die Verwaltung der Universität Paris 8 die Veranstaltung mit der Begründung „wegen des Risikos der Störung der öffentlichen Ordnung“. Schon seit längerer Zeit beobachtet er mit Bedauern „ein Klima der Gleichgültigkeit“, klagt CRIF-Präsident Cukierman. Dabei „sind die Werte von Frankreich in Gefahr. Die Vermittlung von Toleranz, Respekt für andere und die politische Bildung muss den Ehrenplatz in unserem Bildungssystem haben“. Doch gerade diese pädagogische Arbeit liegt noch in den Anfängen. Nur sporadisch werden Zeitzeugen eingeladen, um von ihren persönlichen Erlebnissen zu berichten. Schulausflüge zu den Gedenkstätten in Drancy oder gar nach Auschwitz gibt es fast nie. Auch kaum Wissenschafts-, Schüler- oder Studentenaustausche mit israelischen Einrichtungen.

 

Zwei miteinander konkurrierende jüdische Dachorganisationen

Der CRIF sieht seine Aufgabe vor allem in der politischen Arbeit. Er unterhält regelmäßige Kontakte auf Regierungsebene sowie mit internationalen jüdischen Organisationen. Dr. Roger Cukierman ist z.B. Vizepräsident des jüdischen Weltkongresses und des Europäisch-Jüdischen-Kongresses. Anders als unter seinem Vorgänger Richard Prasquier soll der CRIF jetzt keine in sich geschlossene Vereinigung mehr sein. Präsident Cukierman will den CRIF auch für Juden öffnen, die keine Mitglieder sind und mehr mit der zivilen Gesellschaft zusammenarbeiten. Zum diesjährigen Galaabend anlässlich des 70. Jahrestages des Bestehens des CRIF wurden 10.000 Gäste eingeladen, darunter auch Vertreter der Partei der Grünen, Vertreter der katholischen und protestantischen Kirche, Buddhisten, muslimische Verbände, einzelne Persönlichkeiten, die sich engagiert für jüdische Belange einsetzten, sowie die „Vereinigung der Freunde des CRIF“ in der Juden und Nichtjuden zusammenarbeiten. Der CRIF ist die wichtigste Vertretung der Juden in Frankreich. Zu seinen Mitgliedern gehören 70 jüdische Organisationen, Gemeinden und Verbände, darunter auch die WIZO, der Fonds Social Juif Unifé, die Vereinigung jüdischer Ärzte, Rechtsanwälte, polnischer Juden, der Jugendorganisation und viele andere. Doch es gibt noch eine weitere Dachorganisation der französischen Juden, die allerdings nicht so bedeutend ist wie der CRIF, dafür jedoch wesentlich älter, das „Consistoire Central Israélite de France“, kurz „Consistoire“ genannt. Lange Zeit befand sich das Consistoire ebenfalls unter dem Dach des CRIF. Im Jahr 2005 trennten sie sich voneinander. Jetzt hat Roger Cukierman dem Präsidenten des Consistoire Joël Mergui eine Wiedervereinigung vorgeschlagen und ihm die Position des Vizepräsidenten angeboten. Joël Mergui lehnte ab.

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