Weltberühmt ist die Sarajevo-Haggada. Sie wurde 1314 in Spanien geschrieben und reichhaltig illustriert. Bei der Ausweisung aus Spanien hatten sephardische Juden auch diese Handschrift in ihrem Gepäck. So gelangte sie 1492 nach Bosnien, das damals zum türkischen Großreich gehörte. In Sarajevo entstand eine große jüdische Gemeinde, von denen bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts die meisten noch Ladino sprachen, die alte Sprache der spanischen Juden. In der NS-Zeit, in der die deutsche Wehrmacht Jugoslawien besetzte, wurde die älteste spanische Haggada der Welt von muslimischen Geistlichen in einer Dorfmoschee versteckt. Im Jahr 1894 hatte ein Museum die mittelalterliche Handschrift erworben, die sich heute im Besitz des „Nationalmuseums von Bosnien und Herzegowina“ in Sarajevo befindet. Die Haggada war der Höhepunkt der Ausstellung. Doch diese kann jetzt niemand mehr sehen. Das Museum wurde geschlossen. Weder der Staat, noch die Stadt geben Geld für die Präsentation ihres Prestigeobjektes und auch die Mitarbeiter erhalten seit langem keine Gehälter mehr. Und das, obwohl Sarajevo 2014 Europas Kulturhauptstadt werden will.
In ganz Europa protestieren Museumsdirektoren und Kuratoren. Die bosnisch-österreichische Künstlerin Azra Aksamija gründete die Initiative „cultureshutdown“ und gewann bereits über 160 internationale Kultureinrichtungen, die ihre Solidarität mit dem Museum in Sarajevo öffentlich bekunden und auf das ungeheuerliche Geschehen der Politiker in Bosnien-Herzegowina aufmerksam machen. Ihre Bewerbung als Europas Kulturhauptstadt scheint direkt auf den Geldtopf der UNESCO zu zielen, denn Kultur ist zur Zeit in diesem Land nicht allzu hoch angesehen. Überall auf der Welt wurden in verschiedenen Museen bekannte Ausstellungsstücke verbarrikadiert. Auch das Jüdische Museum in Hohenems, dessen Direktor Präsident der „Vereinigung Internationaler Jüdische Museen“ ist, sperrt ein bedeutendes Kulturobjekt zu. Mit dieser Aktion, so Hanno Loewy, setzen Museen „ein Zeichen der Solidarität mit einer bedrohten Kultureinrichtung“ und hoffen, viele Kunstinteressierte auf die große Problematik eines, „von der Welt weitgehend vergessenen, von nationalistischen Spannungen zerrissenen Landes inmitten Europas“ aufmerksam machen zu können.
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