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Bis auf den letzten Platz war die Westendsynagoge gefüllt. Fast die gesamte politische Prominenz der Stadt war gekommen, verschiedenen Stadt- und Landtagsabgeordnete, auch Vertreter der Kirchen, unter ihnen Weihbischof Michael Peters aus Trier und viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. In der Mitte saßen die Männer, rechts und links von ihnen sowie auf der Empore die Frauen und Mädchen. Sie alle wollten bei der Einführung Avichai Apels in sein neues Amt als Gemeinderabbiner dabei sein.
Diese Amtseinführung war ein außergewöhnliches Ereignis. Der aschkenasische Oberrabbiner David Lau reiste aus Israel an, aus Brüssel kam der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz und Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, auch Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni und viele weitere Vertreter der „Europäischen Rabbinerkonferenz“ sowie der „Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands“ waren dabei.
Es war ein trüber Nachmittag, als der Festakt begann. Obwohl es noch früh am Tag war, brannten die elektrischen Lampen. Nacheinander betraten die rabbinischen Autoritäten die nach Osten gerichtete Empore vor dem Aron Hakodesch, begrüßten die anwesenden Gäste und richteten ihre Segens- und Glückwünsche an Rabbiner Apel. Amtskollege Rabbiner Julien-Chaim Soussan freute sich, nun einen zweiten Mitstreiter für die vielen zu bewältigenden Aufgaben in seiner jüdischen Gemeinde zu haben, die ständig wächst. Zwei gleichgestellte Rabbiner in der Frankfurter Kehilla, betonte Prof. Dr. Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde in seiner Rede, „gab es noch nie“. Einig waren sich alle darüber, dass es eine gewaltige Herausforderung sei, eine so große Gemeinde zu führen. Auch deshalb freute sich Rabbiner Soussan, „nicht mehr alleine agieren zu müssen, sondern sich gemeinsam besprechen zu können“.
Auch ein Geschenk überreichten die Rabbiner für Avichai Apel, der in Dortmund elf Jahre tätig war, bevor er in die Finanzmetropole Frankfurt übersiedelte. Als sie den neuen Tallit hervorholten, schien plötzlich die Sonne und erleuchtete den großen Raum. Im Sonnenlicht hielten Oberrabbiner Lau, Oberrabbiner Goldschmidt, Gemeindepräsident Dr. Korn und Gemeinderatsvorsitzender Dr. Andrei Mares den Tallit über Rabbiner Apel, als dieser das Schehechejanu sprach. Es war, als wenn ein ganz besonderer Segen aus dem Synagogenfenster auf den neuen Gemeinderabbiner und den Festakt fiel, während Amtskollege Rabbiner Soussan in das Schofar blies.
Viel Vorschusslorbeeren erntete Rabbiner Apel an diesem Tag, der, wie ORD-Vorstandsmitglied Rabbiner Ebert in seiner Rede betonte, große Ausstrahlung hat „und eine unermüdliche Kraft. Manchmal frage ich mich, woher er seine Zeit nimmt.“ Ein Geheimnis, das Rabbiner Goldschmidt zu lüften glaubte. Er verdankt es Bilha, die hinter ihm steht. „Die Rebbetzinnen sind die Geheimwaffe der Rabbiner“. Die Frauen lachten, als sie dies aus dem Mund von Europas Oberrabbiner hörten.
Rabbiner Avichai Apel, der in Jerusalem geboren und dort auch verschiedene Jeschiwot besuchte, ist längst kein Unbekannter mehr. Das sieht man daran, dass Bundespräsident Joachim Gauck für seinen jüngsten Sohn die Patenschaft übernommen hatte. Sieben Kinder haben er und seine Frau Bilha, die in Dortmund auch die Sonntagsschule leitete, Kurse für Frauen gab und die Tagesschule organisierte. Nach seiner Ordination ging er zunächst nach Russland, wo er auch die Sprache lernte, ein Wissen, das ihm in Deutschland half schnell einen direkten Draht zu vielen Gemeindemitgliedern aufzubauen. Im Auftrag der ZWST vermittelte er den Gemeinden in Deutschland israelische Freiwillige, die bei der Jugendarbeit helfen wollten und gleichzeitig ein Bewusstsein für den jüdischen Staat aufbauten. Im Jahr 2004 fand Apel dann in Dortmund eine Stelle als Rabbiner. Aktiv ist er auch in der ORD, der „Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands“, deren Vorstand er gemeinsam mit dem ebenfalls bei seiner Amtseinführung anwesenden Leipziger Rabbiner Zsolt Balla und Rabbiner Jehuda Puschkin leitet.
Die jüdische Gemeinde Frankfurt hat viel Grund sich zu freuen. Wertet diese Amtseinführung des neuen Gemeinderabbiners doch auch ihre Stellung innerhalb der jüdischen Welt auf, zumal Rabbiner Julien-Chaim Soussan als Beiratsmitglied ebenfalls im Vorstand der ORD sitzt. In diesem Zusammenhang ist auch die wenige Tage spätere Ordination von drei jungen Rabbinern zu sehen, zu der nicht nur Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier kam, sondern auch Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses. Einst war Frankfurt am Main eine Hochburg rabbinischer Gelehrsamkeit. Hier lebten und wirkten Raphael Salomon Hirsch und Salomon Breuer, der noch 1890 in Frankfurt eine Jeschiwa gründete, die dann von den Nationalsozialisten zerstört wurde.
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