MUHAMMED ASAD IST JÜDISCH. EIGENTLICH HEISST ER LEOPOLD WEISS. GEBOREN WURDE ER 1900 IN LEM-BERG. SPÄTER ZOG ER MIT SEINER FAMILIE NACH WIEN. ER STUDIERTE IN DEN 20ER JAHREN IN BERLIN, BUM-MELND UND NACH DEM SINN DES LEBENS SUCHEND. DOCH DIE EIGENTLICHE WENDE IN SEINEM LEBEN BE-GANN 1922, ALS ER ÜBER ÄGYPTEN NACH ERETZ ISRAEL ZU SEINEM ONKEL REISTE, DER SICH IN JERUSALEM ALS PSYCHOANALYTIKER NIEDERGELASSEN HATTE. DAS BILD VOM „EDLEN FREMDEN“ IM KOPF, BEGEISTERTE ER SICH DORT FÜR DIE ARABER UND DEREN EINFACHEN LEBEN. ALS ER, NACH BERLIN ZURÜCKKEHRTE, NAHM ER KONTAKT ZUR ISLAMISCHEN GEMEINDE AUF.
1927 konvertierte er zum Islam. Seine Familie entsetzt. Das Tuch war durchschnitten. Der Vater saß Schiwa. Seine Familie hat Muhammed Asad, wie sich Leopold Weiss seitdem nannte, nie wieder
gesehen. Zwar nahm sein Vater Jahre später Briefkontakt mit ihm auf, doch blieb der Sohn im Orient, reiste als Sonderkorrespondent der „Frankfurter Zeitung“ hin und her und schickte lediglich
Artikel nach Deutschland. Als Muhammed Asad machte er die Pilgerreise Hadsch nach Mekka. Dort lebte er jahrelang als persönlicher Freund Ibn Sauds, dem späteren König und Gründer Saudi-Arabiens.
Von
Muhammed Iqbal eingeladen, reist er nach Indien. Während die Nationalsozialisten in Europa seine gesamte Familie deportierten und schließlich ermordeten, wurde er in Indien als feindlicher
„Österreicher“ bis zum Ende des 2. Weltkrieges in ein britisches Internierungslager gepfercht. Muhammed Asad war dabei, als Pakistan sich vom indischen Mutterland abspaltete und ein eigener Staat
wurde. Aktiv beteiligte er sich am Entstehen dieser islamischen Republik, erst als Direktor der „Abteilung für islamischen Wiederaufbau“, dann als Leiter der „Nah-und Mittelost-Abteilung“ des
Außenministeriums.
Seinen politischen Höhepunkt erreichte er 1952, als er pakistanischer Staatsbürger wurde und man ihn als Diplomat in die USA entsandte, wo er Pakistan bei den Vereinten Nationen in New York vertrat. Als er sich jedoch von seiner saudiarabisch-en Frau scheiden ließ und eine konvertierte Muslima heiratete, die Amerikanerin polnischer Herkunft war, wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. Asad begann nun von Kontinent zu Kontinent zu reisen und Bücher zu schreiben.
Gleich ein Welterfolg wurde „The Road to Mecca“, das 1954 im New Yorker Verlag „Simon & Schuster“ erschien. Jetzt hat der deutsche Patmos-Verlag, der sich in den vergangenen Jahren auf christliche, vorwiegend katholische Literatur spezialisierte, Muhammed Asads „Der Weg nach Mekka“ neu herausgegeben. Es liest sich wie ein Abenteuerroman. Wüsste man nicht, dass Asad lange Zeit selber im Orient gelebt hätte, könnte der Verdacht aufkommen Karl May hätte Pate gestanden. Glorifiziert wird das einfache Leben arabischer Nomaden. Vom einsamen Ritt durch die Wüste schwärmt der Autor, von Nächten unter leuchtendem Sternenhimmel, von arabischer Gastfreundschaft und tugendhaften Menschen. Im Auftrag Emir Faysals, den er als seinen Freund betrachtet, schleicht er sich unter Lebensgefahr bei aufständischen Beduinenstämmen ein, um zu erkundschaften, woher sie ihre Waffen bekamen. Asad entdeckte eine Zusammenarbeit mit der britischen Kolonialmacht, die ihnen Gewehre und Munition lieferte. Doch nicht historische Begebenheiten stehen im Mittelpunkt des autobiographischen Romans, sondern eine romantisierende Sicht auf die arabische Welt voller Abenteuer und schön geformten Menschen mit edler Gesinnung. Das erstaunt, war doch Autor Muhammed Asad kein naiver junger Mann mehr, als er das Buch schrieb, sondern bereits 53 Jahre alt, der als Diplomat wissen müsste, dass dieser verträumte Blick auf die muslimische Welt realitätsfern ist.
In Pakistan wurde Muhammed Asad zur unerwünschten Person erklärt, für Saudi-Arabien erhielt er lebenslanges Einreiseverbot. Asad, den man auch als islamischen Gelehrten ansieht, schrieb ebenfalls religiöse Betrachtungen, vor allem über Recht und Philosophie des Islam, die im Gegensatz zur Theorie traditioneller Islamisten steht. 1953 erschien in London seine Übersetzung des Islam mit eigenen Kommentaren. Dieses Werk „Die Botschaft des Koran“ erschien nun auch in deutscher Sprache, ebenfalls im Patmos-Verlag. Kleingedruckt stehen in arabischer Schrift die Suren, neben der deutschen Übersetzung und langen Erläuterungen. Bereits der Untertitel „Für Leute, die denken“ zeigt Asads rationale Herangehensweise, mit der er sich in der muslimischen Welt viele Gegner machte. So betrachtet er beispielsweise die spirituelle nächtliche Reise des Propheten Mohammed auf seinem Pferd Buraq zum Jerusalemer Tempelberg nicht als eine tatsächliche Begebenheit, sondern sieht hier eine Traumvision. Mit Thesen dieser Art erneuert er die Islamwissenschaft, die er weniger spirituell, als vielmehr rational begriffen sehen will. Damit ist der Jude Asad durchaus ein Vorläufer einer neuen, vor allem europäischen Sicht, von der vielleicht eine Neuorientierung des Dialogs zwischen Moslems und Christen ausgehen könnte. Vom Judentum dagegen entfernte sich der Reformer immer mehr. Schon in „Der Weg nach Mekka“ zeigt er ein beschränktes Wissen über Religion und Tradition seiner Vorväter. Zum Beispiel schreibt er, dass „die Araber und nicht die Juden“ die „ältesten Semiten“ sind und Träger des „biblischen Erbes“. Als Anti-Zionist nimmt er mehrfach gegen die jüdische Wiederbesiedlung von Eretz Israel Stellung und wettert gegen sie.
Noch katastrophaler jedoch ist seine Polemik gegen Juden in seiner Koranauslegung. In der 72. Sure des Korans über die Dschinn zum Beispiel in der von „ungesehenen Wesen“ mit „unsichtbaren Kräften“ geschrieben steht, sieht er „Anhänger des mosaischen Glaubens“ mit „okkulten Kräften“ und „hochmütigem jüdischen Glauben“ voller „Lügen über G‘tt“. Mit Kommentaren dieser Art outet sich der Jude Weiss alias Asad als gefährlicher Antisemit, der nicht nur Attentätern ein religiöses, aus dem Koran abgeleitetes Rüstzeug anbietet. Hierbei drängt sich die Frage auf, weshalb der Patmos-Verlag gerade diese Werke neu auf den Markt brachte, mit dieser vom Antijudaismus geprägten Weltsicht. Auch zeigen diese Bücher, obwohl von einem Juden geschrieben, die Schwierigkeit auf, zu einem wirklichen Dialog zu gelangen. Wenig ändern konnte er mit seinen modernen Theorien an der Intoleranz muslimischer Extremisten und die Abschottung der Muslime von der übrigen Welt.
Wie so viele vom Judentum abgefallene Konvertiten war auch Asad schließlich voller Enttäuschung. „Ich habe mich in den Islam verliebt“ erzählte er einem Journalisten kurz vor seinem Tod, „aber ich habe die Muslime überschätzt“. Er starb 1992 in Andalusien, in Spanien.
Reformisten gilt Muhammed Asad heute als wichtiger Vorläufer, der viele Denkanstöße für ein islamistisch gefärbtes Demokratieverständnis liefert. Nicht nur von Reformmuslimen wird Asad als Grenzgänger zwischen den Kulturen verehrt, sondern auch von vielen Europäern, die ihn als Mittler zwischen den Kulturen neu entdecken. Das mag für seine Offenheit zwischen Orient und Okzident im Allgemeinen richtig sein, für die Einbeziehung der Juden und ihren Platz in der Gesellschaft gilt das allerdings weniger. Muhammed Asads Wirken ist daher kritischer zu betrachten, als es zur Zeit üblich ist.